Nachdem der italienische Entwickler Kunos Simulazioni mit seiner Motorsport-Simulation „Assetto Corsa“ auf PC bereits zahlreiche Achtungserfolge feiern konnte, versorgte man Ende August endlich auch die Konsolen-Community mit einer inhaltsgleichen Umsetzung. Doch wie gut ist die wirklich? Spielt sich das hier auf PS4 ähnlich mitreißend wie am Rechner? Und vor allem: Wirken sich die Verbesserungen des am 29. September 2016 veröffentlichten Updates auf Version 1.03 tatsächlich noch mal auf den Fahrspaß aus? Play3.de hat sich erneut in den Rennsitz geklemmt und in den letzten zwei Wochen intensiv seine Runden gedreht, um genau das herauszufinden.
Was wir gut finden
Schweißtreibendes Oberarm-Training
Das Wichtigste gleich vorab: Kein anderes Konsolen-Rennspiel bietet eine so hervorragende Lenkradunterstützung wie „Assetto Corsa“. Sofern ihr im Besitz eines der über zwölf unterstützten PS4-Lenkräder seid – Fanatec-Wheels gehören aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen Sony und besagtem Zubehörhersteller leider nicht dazu – entfaltet der Titel eine unglaubliche Sogwirkung. Ein Beispiel: Ihr rast im belgischen Spa mit Vollgas auf eine S-Kurve zu, in der Hoffnung, diese möglichst entlang der Scheitelpunkte schneiden zu können. Die 1050 Pferdestärken eures Ferrari FXX K brüllen ihre volle Kraft heraus, euer Blick ist fokussiert und eigentlich läuft alles nach Plan. Lediglich den holprigen Randstein in diesem Streckensektor habt ihr komplett unterschätzt. Mit fatalen Folgen, denn umgehend leitet die leistungsstarke Simulation im Hintergrund euren Fahrfehler an die Widerstandsmotoren im Force Feedback Wheel weiter. Ihr versucht noch einmal mit aller Kraft gegen zu lenken, doch es hilft nichts – der Wagen beginnt sich zu drehen und ihr schlittert mit voller Wucht ins Kiesbett.
Oder anders formuliert: „Assetto Corsa“ lässt euch nicht nur am Bildschirm, sondern auch körperlich spüren, was es bedeutet, hinterm Steuer eines Rennboliden zu sitzen und über einige der interessantesten Racing-Kurse Europas zu brettern. Egal ob unscheinbare Bodenwelle, ausbrechendes Heck oder fieser Rempler eines Verfolgers – all das und mehr wird durch brillante Lenkrad-Algorithmen sehr direkt und nachvollziehbar an euch weitergegeben. Weil alle namhaften Kurse (Monza, Spa, Silverstone, Nürburgring, Brands Hatch usw.) mit Hilfe eines aufwändigen Laserscan-Verfahrens ins Spiel übertragen wurden, habt ihr außerdem stets das wohlige Gefühl, eine möglichst akkurate Nachbildung eben jener Originalstrecke zu erleben.
Spritztour durch die Pampa
Spannendes Detail am Rande: Zu den insgesamt 26 Tracks des Ursprungsspiels (Varianten einzelner Kurse mitgezählt), gesellen sich seit dem Update auf Version 1.03 noch drei Varianten von „Black Cat County“. Im Gegensatz zu den übrigen Szenarien ist dieses, in der amerikanischen Steinwüste angesiedelte Szenario zwar fiktiv, Laune macht es trotzdem jede Menge. Die kurze Variante etwa entpuppt sich dank langer Haarnadelkurven schnell als El Dorado für Drift-Enthusiasten. Die lange Variante dagegen richtet sich eindeutig an GT-Begeisterte, die ihre PS-Monster bei hohen Geschwindigkeiten mal so richtig ausfahren möchten (eine Umrundung dauert knapp 5 Minuten), während sie gleichzeitig eine tolle Aussicht auf kleine Seen, bizarre Felsformationen und am Himmel schwebende Heißluftballons genießen. Die „Intermediate“-Version wiederum kombiniert die spannendsten Elemente aus den bereits skizzierten Varianten.
Für jeden was dabei
Die Fahrzeugauswahl geht in Ordnung und lässt sich wohl am ehesten mit der Formulierung „liebevoll zusammengestellt“ auf den Punkt bringt. Dem Fuhrpark eines „Gran Turismo 6“ oder „Forza 6“ stiehlt das Studio mit Firmenzentrale direkt neben dem Vallelunga-Track in Italien freilich nicht die Show. Dennoch sind derzeit immerhin 23 verschiedene Fahrzeughersteller (DLC mitgerechnet) vertreten, darunter natürlich viele Italiener und Engländer, aber auch deutsche Autobauer wie Audi, BMW, Mercedes Benz und Ruf. Nicht zu vergessen das tschechische Unternehmen Praga, welches mit dem Praga R1 einen pfeilschnellen Exoten zur Verfügung stellt, sowie Nissan, die im Grundspiel zwei Rennsemmeln beisteuern. Weitere japanische Flitzer, etwa von Toyota und Mazda, gibt’s derweil nur nach Erwerb des 4,99 Euro teuren „Japanese Pack“. Schöner Fan-Service: Mit dem Patch auf Version 1.03 erhaltet ihr kostenlosen Zugriff auf den Maserati Levante S, einen 2,1 Tonnen schweren 6-Zylinder-SUV mit rassigen 424 Pferdestärken.
Die Fahrzeuge selbst sind allesamt aufwändig modelliert (sowohl innen als auch außen) und bestechen immer wieder mit schönen Details. Beim 250 km/h schnellen KTM X-Bow zum Beispiel sieht man aus der Cockpit-Perspektive sehr genau, wie die einzigartige Federung des Gefährts aktiv arbeitet. Noch viel wichtiger: Jedes Gefährt fühlt sich auf der Straße wirklich einzigartig an, weshalb man natürlich umso motivierter ist, jedes auch tatsächlich mal auszuprobieren. Das Freischalten von Fahrzeugen spart sich „Assetto Corsa“ übrigens – ihr dürft direkt auf alles zugreifen, was eurer Version beiliegt.
Ab Version 1.03 deutlich runder
Als „Assetto Corsa“ Ende August für Konsole erschien, klagte die Community zurecht über einen übertrieben hohen Schwierigkeitsgrad und eine völlig verkorkste Gamepad-Steuerung. Beide Probleme wurden mit Patch 1.03 massiv angegangen. Das Ergebnis ist zwar noch nicht perfekt, kann sich aber durchaus sehen lassen. War es früher selbst auf „Leicht“ mit Gamepad praktisch unmöglich, einen der ersten beiden Podiumsplätze zu ergattern, klappt dies jetzt wunderbar.
Vor allem auf den ersten drei von mittlerweile insgesamt sechs Schwierigkeitsgraden fährt die KI nun deutlich verzeihender. Prima Nebeneffekt: Mit erhöhter Regelmäßigkeit kommt es zu spannenden Positionskämpfen, die uns nur noch mehr anstacheln, dranzubleiben. Zugegeben, Lenkrad-Besitzer haben weiterhin klar die Nase vorn, aber insgesamt funktioniert die Pad-Steuerung jetzt spürbar besser als bei Spielrelease. Dass die KI bei Überholmanövern immer noch richtig frech rempelt, ist dagegen weniger schön. Gleiches gilt für die Tatsache, dass sich im Vergleich zur PC-Fassung weiterhin nur 16 und nicht 20 Fahrzeuge gleichzeitig auf der Strecke tummeln.
Bye, bye Screen-Tearing
Grafisch zieht der Sprung auf Version 1.03 ebenfalls einige Verbesserungen nach zieh. Die auffälligste ist zweifelsohne der komplette Wegfall von störendem Screen-Tearing. Das Bild wird in hektischen Situation also nicht mehr von störenden Streifen „zerrissen“, sondern wirkt dank eingeschaltetem V-Sync endlich durchweg klar und ruhig. Die von Kunos versprochenen 60 Bilder pro Sekunde stemmt die Engine allerdings immer noch viel zu selten. Vielmehr läuft es in der Mehrzahl der Spielsituationen eher auf einen Wert im mittleren 40er-Bereich hinaus – trotzdem noch flüssig genug, um gut Spaß zu haben.
Lob zudem für die größtenteils erstklassige Soundkulisse. Einfach fantastisch wenn ein Lamborghini Huracan ST sein Temperament zum Besten gibt oder abruptes Abbremsen ein wohliges Stottern zur Folge hat. Spielt ihr in der Nummernschild-Perspektive und macht einen unfreiwilligen Ausflug ins Kiesbett, ist nach der Rückkehr auf die Strecke sogar zu hören, wie Kieselsteine gegen den Radkasten prasseln – fabelhaft.
Maßgeschneiderte Rennerfahrung
Weitere Pluspunkte verdient sich „Assetto Corsa“ für die hohe Verbindungs-Stabilität in Online-Rennen, abspeicherbare Wiederholungen, sechs gut gewählte Kameraperspektiven und seine Vielfalt an Konfigurationsoptionen. Angefangen bei einem Sammelsurium an Fahrhilfen über eine manuelle Sichtfeld-Anpassungen bis hin zum detailverliebten Wagen-Setup – die Entwickler haben an vieles gedacht. Im Hinblick auf Feintuning-Optionen fürs Lenkrad hat die PC-Fassung allerdings klar die Nase vorn. Auch erwähnenswert: Haben wir einen Event verpatzt, reicht ein kurzes Aufrufen des Menüs und ein Klick auf Neustart, schon geht das Rennen ohne störende Ladeunterbrechung von vorne los.
Was wir schlecht finden
„Assetto Corsa“ macht vieles richtig. Was die Präsentation der Karriere betrifft, liefert Kunos jedoch eine knochentrockene, aufs Allernötigste reduzierte und insgesamt ziemlich enttäuschende Vorstellung ab. Kommentierte Intro-Videos, die auf die Eigenheiten einer jeden Strecke eingehen? Dramatische Kameraschwenks übers Fahrerfeld bevor die Motoren aufheulen? Automatisch anlaufende Highlight-Zusammenschnitte am Ende eines Rennens? Diese und ähnliche Elemente sucht man hier leider vergebens. Klar, das Spiel ist eine Simulation, aber ein bisschen mehr Drumherum hätte es dann schon sein dürfen. Stattdessen zählt vor Rennbeginn einfach nur die Ampel runter und ab geht die Post. Endlich das Ziel erreicht, teleportiert man euch dann auf magische Weise zurück in die Box und serviert eine kurze Rennzusammenstellung – langweiliger geht’s nicht.
Petrus hat Sendepause
Wettfahrten bei Nacht oder in strömendem Regen sind im heutigen Rennspiel-Zirkus fast schon Standard. Nicht so in „Assetto Corsa“. Hier dürft ihr vor Rennbeginn lediglich zwischen starken und leichtem Nebel, klarem und mäßig klarem Himmel sowie leichter, mäßiger und starker Bewölkung wählen. Immerhin: Auf die unter anderem für die Reifensimulation wichtige Umgebungstemperatur habt ihr direkten Einfluss. Hier darf ein Wert zwischen 10 und 36 Grad definiert werden.
Überhaupt fehlen zahlreiche Ausstattungsmerkmale, die das Gesamtpaket spürbar abgerundet hätten. Splitscreen-Rennen etwa wären eine schöne Ergänzung gewesen, ebenso wie ein hilfreicher Boxenfunk, ein Foto-Modus, ein Showroom zum genaueren Betrachten der schicken Fahrzeugmodelle, Online-Bestenlisten oder private Lobbys im Multiplayer. Zumindest letztgenanntes Feature hat Kunos allerdings schon auf der Liste wichtiger Community-Anfragen. Dass die Stewards Regelverstöße hin und wieder gar nicht ahnden, stößt ebenfalls sauer auf.
Kommentare
bulku
13. Oktober 2016 um 20:14 UhrIch hoffe auf ein Pro patch und genau so bei PC…
Tim3killer
13. Oktober 2016 um 22:36 UhrBei Project Cars heißt der Pro-Patch bestimmt Project Cars 2 und kostet 60€…
Ifosil
13. Oktober 2016 um 23:22 UhrAssetto zockt man am PC, auf Konsole sollte man nur aus Not spielen, wenn man keinen PC hat.
Fehlender Mod-Support und mangelhafter Lenkrad Umfang sind ein K.O-Kriterium für die Konsolenversion.
samonuske
14. Oktober 2016 um 08:46 Uhr-die viel zu trocken präsentierte Karriere- genau dieses Manko hat auch PC. Aber da wurde diese Kritik nie angebracht. Komisch warum hier dies dann erwähnt wird.
Da sieht man mal das jede Werbegeschenk ob Material oder sonst wie, immer einen Einfluss auf eine Bewertung haben.
President Evil
14. Oktober 2016 um 15:08 UhrMein GOTY!
Den Test finde ich fair und fundiert.
Es geht halt darum, was einem bei einer Rennsim wichtig ist.
AC ist sicher kein Umfangmonster.
Aber das Fahrgefühl ist einfach traumhaft 🙂
Twisted M_fan
14. Oktober 2016 um 16:10 UhrIch werde es mir kaufen wenn es im Preis gefallen und Pro unterstützung bekommt.Mein Lenkrad will ja auch mal neues futter bekommen.Keine Mods finde ich positiv so etwas brauche ich einfach nicht.Splitscreen Duelle finde ich in einer reinen Simulation auch unnötiger ballast.Knochentrockene Präsentation ist ein weiterer positiver Punkt für mich,da ich es mag wie bei Drive Club ohne dummes drum herum auf die Strecke zu kommen.Ich hasse es wenn ich zwanzig mal drücken muss um endlich das Rennen zu starten.So nach dem Motto weniger ist mehr.Habs bisher nicht gekauft weil es technisch stark angeschlagen war sprich Tearing usw.