Mit „Gravity Rush“ aus der Feder von „Silent Hill“-Direktor Keiichiro Toyama landete Sony 2012 einen echten Überraschungs-Hit für PlayStation Vita. Vor allem die wunderschön ausgearbeitete Spielwelt – die in der Luft schwebende Stadt Hekseville –, der überzeugende Cel-Shading-Look und die Fähigkeit der Heldin, die Gravitation nach Belieben verändern zu können, sorgten bei Unterwegs-Spielern (und später auch in der PS4-Remastered-Version) für Begeisterung. Der Nachfolger, „Gravity Rush 2“, erscheint am 18. Januar exklusiv für PlayStation 4 und will an diese Tugenden anknüpfen und sie in jeder Hinsicht ausbauen. Play3.de konnte die Testversion bereits durchspielen und verrät, ob dieses Unterfangen gelingt.
Kat is back
Die Geschichte beginnt einige Monate nach den Ereignissen von Teil eins. Protagonistin Kat ist nicht mehr im Besitz ihrer Gravitations-verändernden Kräfte und schuftet zusammen mit ihrem Partner Syd in einer Bergbau-Kolonie, der sogenannten Banga-Siedlung. Ihr habt Teil eins bereits durchgespielt und wollt wissen, wie genau sie dorthin gelangte? Dann empfehlen wir euch den 2-teiligen, knapp 20-minütigen Anime-Kurzfilm „Gravity Rush: The Animation – Overture“, den Sony und das renommierte Animationsfilm-Haus Studio Khara derzeit mit einer Vielzahl von Untertitel-Sprachen auf YouTube zur Verfügung stellen.
Was wir gut finden
Wie es das Schicksal so will, dauert es natürlich nicht allzu lange, bis Kat wieder in den Besitz ihrer Fähigkeiten gelangt. Heißt aufs Gameplay übertragen: Bereits nach circa 30 Minuten dürft ihr nach Lust und Laune mit dem Spielelement herumexperimentieren, welches Teil eins so besonders machte – die Veränderung der Gravitation. Das damit einhergehende Prozedere ist schnell erlernt und faszinierend wie eh und je. Einmaliges Drücken der R1-Taste versetzt Kats Körper in eine Art Schwebezustand. Jetzt mit dem rechten Analogstick das Fadenkreuz auf einen Zielpunkt lenken, wieder die R1-Taste drücken und schon gleitet die Heldin in genau diese Richtung. Kollidiert Kat mit einem Hindernis, verankert sie sich auf der Oberfläche eben dieses Objekts.
Die Folge: Sofern ihr über ausreichend Gravitationsenergie verfügt, kann Kat nun problemlos Wände empor rennen, kopfüber an der Unterseite von Brücken entlanglaufen und vieles mehr. Damit ihr dabei nicht den Überblick verliert, justiert sich die Kamera in solchen Fällen stets automatisch neu, sprich dreht sich immer so, dass das Geschehen aus klassischer Third-Person-Perspektive gezeigt wird. Zugegeben, in der Anfangsphase des Spiels sind diese Kameraschwenks etwas verwirrend. Mit zunehmender Spieldauer gewöhnt man sich jedoch daran und lernt, die Tücken durch manuelles Nachjustieren zu umschiffen.
Willkommen in Jirga Para Lhao!
Das etwas zähe, aber immerhin sehr ausführliche Tutorial in der Banga-Siedlung abgehakt, gibt „Gravity Rush 2“ dann richtig Gas und konfrontiert euch mit einer komplett neuen Spielwelt, wo ein Großteil der Geschichte stattfindet. Jirga Para Lhao übertrifft die Ausmaße des Vorgängerspiels um das 2,5-fache, ist eindeutig inspiriert von Asien und Südamerika und bietet eine Vielzahl geografisch unterschiedlicher Orte, von denen ihr viele bereits kurz nach Spielbeginn nach Belieben erkunden dürft.
Im Zentrum der Karte befindet sich zum Beispiel Lei Colmosna, ein pulsierender Stadtteil voll von quirligen Marktplätzen, gut besuchten Lokalen und kunterbunten Wohnblocks. Hier tummeln sich Hunderte Nichtspieler-Charaktere: wild gestikulierende Händler, interessiert durch die Straßen schlendernde Touristen, jonglierende Artisten, Kisten-schleppende Arbeiter, freudig spielende Kinder, vergnügt auf den Gehsteigen watschelnde Enten, nach Körnern pickende Tauben – man merkt, dass die Macher einigen Aufwand betrieben, um „Gravity Rush 2“ deutlich mehr Leben einzuhauchen als dies noch beim Vorgängerspiel der Fall war. Besonders cool: Wer den Blick auch mal gen Himmel schweifen lässt, entdeckt eine Vielzahl kleiner und großer Luftboote, die alle eigenen Routen folgen, realistische Schatten am Boden werfen und Kat – sofern sie erfolgreich auf einem landet – sogar auf einen kostenlosen Rundflug mitnehmen.
Oben Luxus, unten Gosse
Doch Lei Colmosna ist nur ein Teil eines insgesamt sehr aufwändig gestalteten Open-World-Spielplatzes. Knapp 850 Meter über Leii Colmosna schweben die Inseln von Lei Havina. Hier residiert die wohlhabende Elite von Jirga Para Lhao in riesigen Palästen und heckt immer neue Pläne aus, ihren Reichtum zu vermehren.
Stürzt ihr euch dagegen einige hundert Meter in die Tiefe und durchbrecht die Wolkendecke, stoßt ihr auf Lei Elgona, das heruntergekommene Industrie- und Arbeiterviertel der Stadt. Zwischen maroden Wellblechhütten, rauchenden Schornsteinen, stinkenden Abwasserrohren und gemächlich umher tuckernden Transport-Luftbooten trefft ihr an diesem Ort in erster Linie verdrossene Bürger, die ihren Frust ob der überall spürbaren sozialen Ungerechtigkeiten mit billigem Fusel herunterspülen.
Typisch „Gravity Rush“ und toll gemacht: Passend zur Stimmung in jedem Stadtbezirk ertönt ganz unterschiedliche Musik. Im verregneten Lei Elgona geben melancholische Klänge den Ton an, im sonnigen Lei Colmosna sind die Rythmen dagegen deutlich beschwingter usw. Überhaupt ist der Soundtrack ziemlich gelungen. Schade nur, dass einige Stücke etwas zu kurz ausfallen, wodurch sich streckenweise eine gewisse Wiederholung einstellt.
Die eben skizzierten Klassenunterschiede klingen nach jeder Menge Zündstoff für ein spannendes Story-Grundgerüst? In der Tat. Die ständig wachsende Kluft zwischen Arm und Reich ist eines der zentralen Themen der erneut in Form von Comic-Sequenzen erzählten Geschichte. Spielerisch wiederum wird der Plot von über 20 Hauptmissionen vorangetriebenen, bei denen die Gravitations-Shifterin einmal mehr zeigen muss, aus welchem Holz sie geschnitzt ist. Basen erstürmen, Gefangene befreien, vermisste Personen in bizarren Zwischenwelten aufstöbern, als Sängerin verkleidet ein Ständchen vortragen, Brände durch die Manipulation von Wasser löschen – Abwechslung wird bei „Gravity Rush 2“ groß geschrieben. Das gilt im Übrigen auch für die üppige Anzahl von über 50 Nebenmissionen, in welchen ihr unter anderem örtliche Schönheiten fotografiert, Diebe dingfest macht, Frachtkisten aus einer gut bewachten Militäranlage stibitzt und vieles mehr.
Asynchroner Online-Modus
Ergänzt wird das Aufgaben-Portfolio durch sogenannte Herausforderungsmissionen, wie man sie auch aus artverwandten Open-World-Vertretern kennt. Bei sogenannten Gleitrennen etwa manövriert ihr Kat von Checkpoint zu Checkpoint, um in möglichst kurzer Zeit ein Zieltor zu erreichen. Anderenorts müsst ihr innerhalb eines Zeitlimits möglichst viele Gegner besiegen und so weiter.
Meistert ihr eine Herausforderung innerhalb vorgegebener Zeit- bzw. Punktelimits, belohnt euch das Spiel mit lilafarben Kristallen, die ihr dann in den Ausbau unterschiedlicher Heldenfähigkeiten investiert. Sofern gewünscht, dürft ihr eigene Bestzeiten bzw. Punkte-Bestmarken zudem als „Ghost Challenge“ an andere „Gravity Rush 2“-Online-Spieler senden.
Interessant auch das „Treasure Hunting“. Hier geht es darum, Fotos aufgestöberter Schatzkisten zu knipsen und dann mit der Online-Community zu teilen. Findet jemand einen Schatz auf Basis eures Hinweisfotos, sackt ihr als Belohnung vielseitig einsetzbare Dusty Tokens ein. Aber auch Bilder, die ihr mit Kats Kamera einfach so aufnehmt, lassen sich von der Community bewerten. Kassiert ihr auf diesem Wege positives Feedback, wandern abermals Dusty Tokens in euren Besitz.
Lunar vs. Jupiter
Ein weiteres Highlight von „Gravity Rush 2“ sind die brandneuen, in der zweiten Spielhälfte freigeschalteten Fortbewegungsstile „Lunar“ und „Jupiter“. Erstgenannter sorgt für Schwerkraftverhältnisse, wie man sie auf dem Mond vorfinden würde und ermöglicht es Kat, sich mit großen Schritt von A nach B zu bewegen. Gleichzeitig kann sie nun Supersprünge durchführen ohne Gravitationsenergie zu verbrauchen und Gegner mit leicht zu verkettenden Wurmloch-Kicks und mächtigen Vortexwürfen ins Nirvana schicken.
Ganz anders der „Jupiter“-Stil. Er sorgt – der Name verrät es bereits – für eine deutlich „schwerere“ Gravitation. Infolgedessen bewegt sich Kat zwar langsamer, kann dafür aber deutlich kraftvoller zuschlagen und gegnerische Angriffe abfangen. Haltet ihr die Quadrat-Taste gedrückt, wird aus dem regulären Gravity Kick obendrein ein flächenwirksamer Surge Kick. Plus: Mit der Kreistaste schleudert Kat Widersachern nun nicht mehr nur einzelne Umgebungsobjekte entgegen, sondern vielmehr einen riesigen Trümmerball, der selbst gut gepanzerten Kreaturen erheblichen Schaden zufügt. Wann der reguläre und wann die neuen Fortbewegungsstile zum Einsatz kommen, liegt übrigens ganz bei euch. Prima, denn so habt ihr noch mehr Flexibilität im Kampf gegen die im Vergleich zu Teil eins spürbar angehobene Anzahl an Feindtypen.
Was wir schlecht finden
Mit einer Spielzeit von über einer Stunde zieht sich der Auftakt in der eher tristen Banga-Siedlung – der gleichzeitig als Tutorial dient – ziemlich in die Länge. Allzu dramatisch ist das aber Gott sei dank nicht. Viel störender, vor allem für Einsteiger: Speziell in hektischen Luftkämpfen – und von denen gibt es im Spielverlauf eine Menge – müsst ihr die Kamera immer wieder manuell nachjustieren. Eine klassische Lock-On-Funktion hätte hier zweifelsohne Wunder gewirkt. Ob die Entwickler diese noch nachrüsten bleibt gleichwohl fraglich.
Punktabzug gibt’s darüber hinaus für eigene unausgegorene Schleich- und Beschatten-Missionen. Dramatische Musik und ein interessantes Leveldesign sorgen bei den Problemfällen zwar anfangs für Spannung, weil Kat jedoch kein klassisches Hinter-Objekten-Verstecken-Manöver beherrscht und viele Gegner bereits beim kleinsten Sichtkontakt Alarm schlagen, kann streckenweise Frust aufkommen.
Der Schwierigkeitsgrad der betroffenen Missionen ist dabei übrigens weniger das Problem. Vielmehr die Tatsache, dass die Entwickler die Mission sofort abbrechen und einen Neustart vom letzten Checkpoint herbeiführen, was wiederum mit nervigen Ladezeiten verbunden ist. Besser wäre es hingegen gewesen, wenn die Mission weitergehen würde und der Feind seine Taktik basierend auf dem Verhalten des Spielers ändert. Im Falle der Beschatten-Mission hätten wir uns zum Beispiel gefreut, wenn die Zielperson zu rennen beginnt und daraus eine wilde Verfolgungsjagd entsteht.
Klassische Nieten gibt’s außerdem im Hinblick auf einige Nebenmissionen. Besonders albern: Der Auftrag „Vergesslicher Leibwächter“. Hier besteht die Herausforderung darin, einen Straßenhändler vor einer herannahenden Gaunerbande zu schützen. Damit die gleich in mehreren Schlägertrupps anrückenden Gegner euch nicht bemerken, dürft ihr sie allerdings nur aus der Luft mit Kisten bewerfen. Im Kern eine witzige Idee. Die Umsetzung aber lässt zu wünschen übrig, weist verschiedene Logikpatzer auf und wirkt unterm Strich wie ein halbgarer Lückenfüller, den man sich auch gut hätte sparen können.
Schade zudem, dass Sony dem Ganzen weder deutsche noch englische Sprachausgabe spendiert und beim schnellen Anflug auf weit entfernte Inseln immer wieder nachladenden Texten die ansonsten so gelungene Präsentation trüben.
Kommentare
Hendl
11. Januar 2017 um 12:41 Uhrbin mit der demo noch nicht richtig warm geworden…
PSN_Tom
11. Januar 2017 um 13:34 Uhr„Contra – keine dt. oder engl. Sprachausgabe“ Kann man dann ja bei jedem Spiel, Film oder sonstiges mit Fantasiesprache als negativ erachten …
jackpotrk
11. Januar 2017 um 14:05 UhrIch finde die Fortbewegung in dem Titel unfassbar grausam. Sonst war die Demo super.
Marv91
11. Januar 2017 um 14:55 UhrBin mit dem ersten Teil und der Demo des zweiten Teils auch nicht warm geworden.
Als Vollpreis Titel für 60€ würde ich es mir niemals kaufen.
VincentV
11. Januar 2017 um 15:44 UhrIch würde mir garnicht etwas kaufen mit dem ich nmicht warm werde.
Benko94
11. Januar 2017 um 17:42 UhrDie Kritik an der Sprachausgabe ist wirklich unnötig. Das Spiel hat eine eigene Sprache für die Sprachausgabe, die nicht japanisch, koreanisch oder sonst was ist. Es ist glaub ich eine Mischung aus französisch und japanisch. Klar wäre eine deutsche Sprachausgabe besser, aber für mich persönlich ist dies kein Kritikpunkt, wenn immerhin der Text in deutsch ist.
Magatama
12. Januar 2017 um 10:15 UhrBei so wenig Negativpunkten (Sprachausgabe siehe Benko94) nur ne 8,0? Ernsthaft?
ChuckNorriss
12. Januar 2017 um 15:06 Uhr„Schade zudem, dass Sony dem Ganzen weder deutsche noch englische Sprachausgabe spendiert“
löl
Murat&Sally
12. Januar 2017 um 16:27 UhrLiest sich sehr langweilig und eintönig, wird kein wirklicher Erfolg das Game.
Mustang&Sally
15. Januar 2017 um 13:47 Uhr@psn_Tom: schon mal nen film nur in Fantasiesprache gesehen?