Seit „X-Men vs. Street Fighter“ erfreut sich der Mix aus bekannten Superhelden und Capcoms hauseigenen Kämpfern wachsender Beliebtheit. Nun steht mit „Marvel vs. Capcom Infinite“ der jüngste Ableger der Reihe bereit und lädt zum bunten Kräftemessen ein. Und während sich Käufer der Collector’s Edition alles andere als erfreut über den Anblick der mitgelieferten Infinity Stones zeigen, gibt auch so manche Design-Entscheidung im Spiel Rätsel auf. Ob sich ein Kauf dennoch lohnt, verrät der Test.
Bunter als ein Regenbogen
Wenn Superhelden im Spiel sind, dann ist der nächste Weltuntergang meistens nur einen Steinwurf entfernt. Kaum startet ihr den Story-Modus von „Marvel vs. Capcom Infinite“ befindet ihr euch auch schon inmitten des Chaos. Der fiese Oberschurke Ultron Sigma hat sich gleich zwei der begehrten Infinity Stones unter den Nagel gerissen und beginnt seinen Feldzug der Gewalt in Asgard. Hier trefft ihr auch direkt auf die meisten spielbaren Figuren. Leider verpasst die Geschichte, euch deren Kennenlernen erzählerisch geschickt zu vermitteln und wirft stattdessen der Reihe nach ein bekanntes Gesicht nach dem anderen auf den Bildschirm.
Zwar kommen die Dialoge nicht ohne den ein oder anderen Fremdscham-Moment aus, dennoch macht die Geschichte irgendwie Laune. Erwartet ihr keinen erzählerischen Tiefgang und erfreut euch stattdessen einfach, an der Vorstellung, dass Chris Redfield und Ryu an der Seite von Thor und Ironman kämpfen, werdet ihr – wenn auch beizeiten wirklich seicht – unterhalten. Hier hilft es ungemein, wenn ihr auch mal ein Auge zudrückt.
Ja, die Figuren sind schon eindeutig zu erkennen, doch wirken ein paar der Protagonisten, als wären sie billigem Spielzeug nachempfunden und nicht den schillernden Comic- und Spiele-Vorlagen, denen sie eigentlich entspringen. Glücklicherweise machen die Spielwelten und die Spezialeffekte einiges wett. Denn über zu wenig Eye-Candy könnt ihr euch in „Marvel vs. Capcom Infinite“ nicht beschweren. Kaum ein Moment vergeht, der nicht von großen Explosionen oder bombastischen Lichtblitzen begleitet wird.
Zwei plus zwei gleich Spaß
Eine der auffälligsten Neuerungen in „Marvel vs. Capcom Infinite“ ist die Tatsache, dass nun nicht mehr Teams aus jeweils drei Kämpfern gegeneinander antreten. Dass nur noch zwei gegen zwei kämpfen, schmälert den Spaß aber nicht. Ganz im Gegenteil! Mit einem Knopfdruck wechselt ihr nun zwischen euren ausgewählten Helden. Dabei spielt es keine Rolle, ob ihr euch gerade in einem Angriff befindet, in der Luft oder einer verteidigenden Position. Geschickt eingesetzt, entstehen durch diese Mechanik nicht nur recht effiziente, sondern auch besonders spektakuläre Manöver. Davon profitieren sowohl die Kämpfe an sich, als auch die Präsentation.
Das schöne daran ist, dass sich im Grunde alle beliebigen Kämpfer zu brauchbaren Teams zusammenstellen lassen. Egal, welche zwei Helden ihr kombiniert, es funktioniert einfach. Ein großer Teil des Spielspaßes fundiert auf dem Ausprobieren der vielen Varianten, die sich durch die dreißig Kämpfer ergeben. Natürlich finden sich so auch Teams, die mal ihren Schwerpunkt auf Geschwindigkeit oder zum Beispiel auf Stärke haben, doch dank einer weiteren Mechanik bleibt grundsätzlich alles gut ausbalanciert.
Denn für die gewisse extra Portion Taktik sorgen die Infinity Stones. Sobald ihr zwei Helden zusammengestellt habt, wählt ihr einen der sechs Steine aus. Je nach Farbe erhaltet ihr eine andere Kraft. Davon sind manche für jede Kombination zu gebrauchen, wie etwa der Space-Stone, der euren Gegner in eine Art Käfig verbannt. Andere wiederum gleichen etwaige Defizite aus. Habt ihr also beispielsweise ein Team, das hauptsächlich auf Stärke setzt, könnt ihr euer Team mithilfe des grünen Steins etwas agiler machen. Der Time-Stone schenkt euch nämlich die Fähigkeit, kurze Distanzen mit kleinen Dashes zu überwinden. Ihr könnt euch sicher denken, wie gefährlich Hulk wird, wenn er zu seiner Kraft noch Schnelligkeit erhält.
Neulinge willkommen!
Was das generelle Kampfverhalten angeht, gibt es sowohl eine gute als auch eine schlechte Nachricht. Das hängt ganz davon ab, welchen Anspruch ihr an Prügel-Spiele dieser Art habt. Zählt ihr euch hier eher zu den Gelegenheitsspielern, kommt euch „Marvel vs. Capcom Infinite“ auf jeden Fall entgegen. Hatten die Vorgänger noch eine ziemlich steile Lernkurve, gelingen euch dank der vereinfachten Steuerung nun schon nach kurzer Zeit abgefahrene Kombos. Selbst für aufwändige Manöver benötigt ihr selten mehr als zwei Buttons. Das ist für Neulinge, sowie Gelegenheitsprügler sicher ein Bonus, schmälert auf der anderen Seite aber auch etwas den Anspruch, den ihr vielleicht von Spielen wie „Injustice 2“ gewohnt seid.
Was mit Sicherheit jeden erfreut, sind die Spiel-Modi. Nachdem ihr die Handlung nur wenige Stunden beschäftigt, stehen euch diverse Missionen, die üblichen Online-Kämpfe, ein lokaler Mehrspieler- und der Aracde-Modus zur Verfügung. Natürlich blühen Prügel-Spiele gegen echte Spieler besonders auf und „Marvel vs. Capcom Infinite“ ist da keine Ausnahme.
Was jedoch besonders positiv ins Auge sticht, ist der Arcade-Modus. Anders als die Story macht dieser nämlich immer wieder Lust auf mehr. Egal wie oft ihr eine Reihe von Gegnern und den darauf folgenden Endboss platt gemacht habt, es wird einfach nicht langweilig. Auch hier punktet „Marvel vs. Capcom Infinite“ mit der verfügbaren Variation an Kämpfer-Duos und belohnt euch zusätzlich nach jeder Session mit neuen Kostümen und anderen Schätzen. Was das Gesamtpaket angeht, schneidet „Marvel vs. Capcom Infinite“ solide ab.
Helden gesucht
Wie jetzt? Es schneidet nur solide ab? Kann es sein, dass etwas fehlt? Nun, wie eingangs erwähnt, reicht die Serie bis zu „X-Men vs. Street Fighter“ zurück. Und obwohl die Mutanten nach wie vor einen festen Platz in Marvel-Filmen und -Comics haben, fehlt von ihnen in „Marvel vs. Capcom Infinite“ jede Spur. Noch nicht einmal Wolverine, der sich in vergangenen Ablegern der Spiele-Reihe großer Beliebtheit erfreute, ist mit von der Partie. Das schmälert den Spaß schon etwas, denn Figuren wie Gamora oder Captain Marvel füllen die daraus entstehende Lücke nur bedingt. Auch wenn sie natürlich willkommene Ergänzungen sind.
Etwas mehr Fan-Service würde „Marvel vs. Capcom Infinite“ generell guttun. Und damit sind noch nicht einmal unbedingt die Charakter-Modelle gemeint, die wie schon erwähnt streckenweise arg lieblos wirken. Erzählerisch mangelt es dem Spiel deutlich an einem Auge fürs Detail. Die Handlung des Story-Modus ist allenfalls zweckmäßig und eine Erklärung, warum Figuren aus Capcom-Spielen plötzlich an der Seite von Marvel-Superhelden kämpfen bleibt ebenfalls aus. Dadurch verschenkt „Marvel vs. Capcom Infnite“ eine Menge Potential. Überraschungsmomente bleiben fast vollständig auf der Strecke, was angesichts der abwechslungsreichen Auswahl an Charakteren einfach schade ist.