Unter der Flagge von Square Enix hauchte das Entwicklerstudio Tokyo RPG Factory vor knapp zwei Jahren der Gattung der klassischen JRPGs eine frische Brise ein. Die Reaktionen waren teilweise durchwachsen, doch zeigten sich viele Kritiker insgesamt zufrieden mit dem Weg, der hier eingeschlagen wurde. Nun erscheint „Lost Sphear“, das zwar eine neue Geschichte erzählt, allerdings auf „I am Setsuna“ aufbaut und dessen Mechaniken weiterentwickelt. Dabei bleibt vieles beim Alten, noch mehr bei Altbekanntem und so manches auf der Strecke.
Da schlägt das Fan-Herz höher
Bereits die ersten Bilder, die ihr in „Lost Sphear“ zu Gesicht bekommt, lassen keinen Zweifel daran, dass es sich hier um eine Hommage an beliebte JRPG-Klassiker wie „Chrono Trigger“ handelt. Und auch die Handlung bewegt sich schon früh in eine Richtung, die Fans japanischer Rollenspiele nur allzu gut bekannt ist.
Der junge Kanata, der eigentlich für die Sicherheit seines Dorfes zuständig ist, sieht sich gemeinsam mit ein paar Freunden vor einer großen Herausforderung. Riesige Teile der Welt sind verschwunden und wo früher Städte und Wälder zu sehen waren, sind nur noch weiße Flächen auszumachen. Glücklicherweise, doch wenig überraschend, ist es Kanata, der die Fähigkeit besitzt, das Unheil zum Guten zu wenden.
Durch Gespräche mit Einheimischen oder dem Erlegen von Feinden, sammelt ihr Erinnerungen und nutzt diese anschließend, um bestimmte Gegenstände, Personen oder auch ganze Landabschnitte aus dem Nichts zurückzuholen. Damit sorgt „Lost Sphear“ nicht unbedingt für den ausgefallensten, jedoch für einen insgesamt ganz brauchbaren Motivationsfaktor. Immerhin ist es immer wieder spannend zu sehen, welche Gebiete hinter der nächsten weißen Front auf euch warten.
Alte trifft neue Schule
Ebenfalls in Manier klassischer JRPGs findet das Kampfsystem rundenbasiert statt. „Lost Sphear“ übernimmt hier im Groben die Mechaniken des geistigen Vorgängers „I am Setsuna“, erweitert diese aber um ein paar interessante Elemente. Anstatt euch während der Gefechte nur durch Menüpunkte zu klicken, entscheidet ihr auch wohin sich der jeweilige Held bewegt bevor er angreift.
Da auf diese Weise die Position der Figuren an Relevanz gewinnt, fallen die Kämpfe insgesamt deutlich taktischer aus als es noch in „I am Setsuna“ der Fall war. Hierfür zeigen sich auch die sogenannten Vulcosuits verantwortlich. Diese mechanischen Anzüge erweitern die Gefechte um eine willkommene taktische Komponente. Da diese nämlich über ein eigenes Energiesystem verfügen, das immer wieder geladen werden will, sollten sie nur mit Bedacht zum Einsatz kommen.
Auch abseits der Kämpfe warten jede Menge bekannte JRPG-Mechaniken. Hotels, in denen ihr euch erholt, dürfen da natürlich ebenso wenig fehlen, wie diverse Geschäfte, die zum Kauf von Rüstungsteilen, Waffen und anderen Hilfsmitteln einladen. Unter der zunächst relativ seicht erscheinenden Oberfläche von „Lost Sphear“ befinden sich ausreichend komplexe Mechaniken, um auch abseits des eigentlichen Geschehens für Substanz zu sorgen. Hierzu zählen unter anderem erlernbare Rezepte und die Weiterentwicklung eurer Ausrüstung und magischen Fähigkeiten.
Dass sich die Spielmechaniken seit „I am Setsuna“ weiterentwickelt haben, zeigt sich auch anhand diverser Komfortfunktionen, wie der Tatsache, dass ihr fast zu jeder Zeit euer Spiel speichern könnt. Auch das Vorspulen von Dialogen kann hin und wieder ganz praktisch sein.
Eingelullt in Nostalgie
Wie eingangs erwähnt, ist es bereits die Darstellung von „Lost Sphear“, die an die Ursprünge des JRPG-Genres erinnern. Die Ansicht aus der Vogelperspektive, die Oberwelt und auch Details, wie Inneneinrichtungen oder die Aufteilung von Städten dürfte euch bekannt vorkommen, wenn ihr frühe Ableger der Spiele-Reihen „Suikoden“, „Breath of Fire“ oder Final Fantasy“ gespielt habt.
Die positiven Erinnerungen, die daraus teilweise entstehen, werden auch durch die Auswahl der Musik-Stücke verstärkt, die auf verspielte Art für eine stimmungsvolle Soundkulisse sorgt. Orchesterklänge kommen dabei meist dezent zum Einsatz, tragen an den richtigen Stellen aber auch mal etwas dicker auf.
Schwächen in der Feinabstimmung
Ja, „Lost Sphear“ erinnert wirklich stark an beliebte Klassiker. Der Versuch, das Genre durch neue Mechaniken zu beleben und die Spielerfahrung zu erweitern, will allerdings nicht vollständig fruchten. Und das liegt nicht einmal an den verbauten Ideen selbst oder an deren Umfang.
Denn vielschichtig ist „Lost Sphear“ eigentlich und bietet euch während der 20-30 Stunden Spielzeit auch jede Menge Möglichkeiten, Taktiken auszuprobieren und an eurer Ausstattung zu feilen. Doch richtig ausgewogen sind die Mechaniken leider nicht. Auch wenn es löblich ist, dass „Lost Sphear“ prinzipiell ohne Grinden auskommt und euch dennoch hin und wieder fordert, verpasst es die Chance, euch echte Herausforderungen vor die Nase zu setzen und vor allem den Anstieg des Schwierigkeitsgrades konstant zu halten.
Früh im Spiel seid ihr euren Gegnern derart überlegen, dass ihr bestimmte Spielmechaniken fast ungenutzt beiseite lassen könnt. Das hängt natürlich davon ab, wie gut ihr mit dem grundlegenden Kampfsystem zurecht kommt, lässt euch nach Abschluss der Handlung aber auch mit einem etwas unbefriedigenden Gefühl zurück. Da die Not, spezielle Elemente zu nutzen, meist ausbleibt, rutschen die Abläufe in einen Trott aus Dialogen mit Textboxen, Dungeons und jeder Menge Laufwege ab. Und dieser beizeiten etwas eintönige Rhythmus wird dem ansonsten angenehm anmutenden Spiel nicht wirklich gerecht.
Schema J, wie JRPG
Und genau hier, in der seichten Erscheinung von „Lost Sphear“ liegt im Grunde auch die meiste Kritik. Ähnlich flach, wie die Darstellung und ihre stark entsättigten Farben, ist bei genauer Betrachtung auch die Handlung. Die Rollenverteilung nach Schema J sieht einen tragischen Helden, seine beste Freundin, einen flapsigen Kumpel und einen mysteriösen Krieger vor und „Lost Sphear“ bedient Klischees wie diese in weiten Teilen.
Diese Vorhersehbarkeit der Abläufe und der Handlung an sich nimmt dem Spielgefühl einiges an Spannung, wodurch die Motivation, jede Textbox innerhalb der Dialoge aufmerksam zu lesen, schon nach wenigen Stunden abnimmt.
Kommentare
Argonar
26. Januar 2018 um 13:04 UhrNaja wenn ich das lese, dann hat es die selben Probleme wie viele andere Games. Das Problem bei den heutigen JRPGs ist, dass sie viel zu leicht geworden sind. Wenn man alle Sidequests macht, ist man seinen Gegnern so weit überlegen, dass es einfach keinen Spaß mehr macht.
Es gibt ein Mittelmas zwischen Grind Heavy und Idioten Sicher. Früher haben die Spiele das besser hinbekommen aber heute klappt es irgendwie nicht mehr so richtig. Ein bisschen Grinden gehört jedenfalls dazu, solang es nicht übertrieben wird. Ist jedenfalls meine Meinung.
Ridgewalker
27. Januar 2018 um 14:26 UhrKann ich so nicht bestätigen.