Nach „Fahrenheit“, „Heavy Rain“ und „Beyond: Two Souls“ steht mit „Detroit: Become Human“ ab dem 25. Mai 2018 das mittlerweile vierte interaktive Drama von Quantic Dream in den Startlöchern. Im Gegensatz zu den eingangs genannten Abenteuern setzt der französische Entwickler diesmal allerdings nicht auf die Gegenwart als Setting, sondern auf ein überaus reizvolles „Was-wäre-Wenn“-Science-Fiction-Szenario. play3.de hat sich durch die hochspannende Geschichte geknobelt und verrät, ob die Rechnung aufgeht.
Was wir gut finden
Wir schreiben das Jahr 2038. Mehrere Jahrzehnte nach der digitalen Revolution durch das Medium Internet sieht sich die Menschheit mit einer weiteren technischen Innovation konfrontiert, die das gesellschaftliche Leben in vielfacher Hinsicht umkrempelt. Androiden der Firma Cyberlife – hochintelligente, vom Menschen kaum zu unterscheidende Roboterwesen – sind mittlerweile allgegenwärtig und in vielerlei Hinsicht in die Arbeitswelt und den Alltag eingebunden. Kein Wunder, denn egal ob als Bauarbeiter, Putzkraft, Haushaltshilfe, Babysitter, Erntehelfer, Wachmann, Sexpartner oder Soldat der Armee – Androiden meckern nicht, gehorchen aufs Wort und erweisen sich dabei als überaus zuverlässig und ausdauernd.
Die Kehrseite der Medaille: Das Individuum als solches wird zunehmend ersetzbar, wodurch die Arbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten (trotz florierender Wirtschaft) ein Rekordniveau von über 35 Prozent erreicht hat. Doch nicht nur dieser Umstand sorgt für gesellschaftliche Spannungen. Auch Berichte über sogenannte Abweichler – Androiden, die seltsame Fehlfunktionen aufweisen und allem Anschein nach Emotionen entwickeln – verunsichern Bürger aus allen Gesellschaftsschichten. Kurzum: Für ein packendes Story-Grundgerüst ist gesorgt. Nicht zuletzt, weil Game Director David Cage und sein Team den Plot mit weiteren großen Problemthemen der heutigen Zeit (Datensicherheit, Bienensterben, wachsende Gebietsansprüche der Supermächte etc.) anreichern und diese Entwicklungen konsequent weiterdenken.
Drei vernetzte Schicksale
Noch interessanter als das größtenteils plausibel ausgearbeitete Zukunfts-Setting sind jedoch die drei Androiden-Hauptfiguren, deren Rolle ihr im Spielverlauf abwechselnd einnehmt. Den Anfang macht Conor. Der Polizei-Android mit der Typen-Bezeichnung RK-800 zählt zu den fortschrittlichsten Modellen seiner Art und wird schon bald dem 53-jährigen Ermittler Hank Anderson an die Seite gestellt, um gemeinsam mit ihm Jagd auf die bereits erwähnten Abweichler zu machen. Das Problem: Zu Spielbeginn kann Hank – der aus persönlichen Gründen, gerne mal einen über den Durst trinkt – Androiden partout nicht leiden. Beste Voraussetzungen also für eine Kameradschaft der ganz besonderen Art.
Weiter geht’s mit Kara, einem weiblichen Androiden, den einige von euch eventuell noch aus der allerersten Techdemo von 2012 kennen. Kara tritt kurz nach Spielbeginn in den Dienst des auf die schiefe Bahn geratenen Familienvaters Todds, um diesem im Haushalt unter die Arme zu greifen und sich um seine kleine Tochter Alice zu kümmern. Soweit die Ausgangssituation. Als Kara allerdings realisiert, dass Todd bewusstseinsverändernde Mittel nimmt und regelmäßig handgreiflich wird, brennen bei ihr im wahrsten Sinne des Wortes die Sicherungen durch. Oder anders formuliert: Kara empfindet – obwohl ihr Protokoll das eigentlich gar nicht vorsieht – plötzlich Empathie für Alice und beschließt, das sichtbar verstörte Mädchen in ihre Obhut zu nehmen.
Bliebe noch Android Markus, seines Zeichens Altenpfleger und wichtiger Vertrauter des renommierten Künstlers Carl Manfred. Seien es nun alltägliche Besorgungen aus dem Farbengeschäft in Downtown, die richtige Dosierung wichtiger Medikamente vor dem Frühstück oder eine Runde Blitz-Schach zur Entspannung —Markus sorgt für den alten Herrn, als wäre dieser sein eigener Vater. Genau das jedoch passt Carls drogensüchtigen Sohn Leo nicht, wodurch das fragile Beziehungsgefüge schon bald auf eine harte Probe gestellt wird und Markus’ Leben eine völlig unvorhergesehene Wendung nimmt…
Viele Entscheidungen, drastische Konsequenzen
Spielmechanisch orientiert sich „Detroit: Become Human“ an den bisherigen Werken der Franzosen, allen voran das wegweisende „Heavy Rain“. Will heißen: Ihr lotst den gerade aktiven Helden durch sehr abwechslungsreich gestaltete, gleichwohl überschaubare Umgebungen, sammelt missionsrelevante Hinweise und werdet dabei immer wieder in folgenreiche Multiple-Choice-Dialoge und/oder Quicktime-Reaktionstests verwickelt. Dabei gilt: Je nachdem wie ihr antwortet – oder wie gut ihr die Quicktime-Prüfung meistert – entwickelt sich eine Szene völlig unterschiedlich.
Auf einem Androiden-Friedhof im ersten Spieldrittel etwa haben Markus’ Systemkomponenten mit drastischen Fehlfunktionen zu kämpfen. Die offensichtliche Lösung: Klar, ihr schnappt euch Ersatzteile aus den Körpern umherliegender Roboterwesen. Doch was tun, wenn einer dieser Androiden wider Erwarten noch funktioniert und wie ein Mensch um Gnade bettelt? Opfert ihr dann sein Leben, damit ihr selbst weiterleben könnt? Oder verschont ihr die intelligente Kreatur, um euer Problem auf alternative Art und Weise zu lösen? Diese und viele andere emotionale Zwickmühlen sind es, die einmal mehr zeigen, dass Quantic Dream die Kunst aufwühlende Geschichten zu erzählen, nicht verlernt hat und sich dabei zudem nicht scheut, Problemthemen wie Kindesmissbrauch, häusliche Gewalt, Folter und sogar Genozid aufgreifen. Themen, die zunächst verstörend klingen, als Ganzes betrachtet jedoch sehr gut mit der Erzählung harmonieren.
Ein Baum voller Möglichkeiten
Im Vergleich zu „Heavy Rain“ und „Beyond: Two Souls“ kommen Entscheidungssituationen nicht nur spürbar häufiger vor, sondern verästeln sich zudem deutlich feingliedriger. Allein „Die Geisel“ etwa, das erste von insgesamt 32 Kapiteln (Demo hier), bietet ein halbes Dutzend Endsequenzen. Dass Verhandlungsführer Connor bereits nach wenigen Minuten ins Gras beißt, ist dabei ebenso möglich wie der Tod der Geisel und des Geiselnehmers.
Stichwort Tod: Wer „Heavy Rain“ kennt, weiß, dass die Geschichte mit dem Ableben einer beziehungsweise mehrerer Figuren nicht einfach abrupt endet, sondern konsequent weitererzählt wird. „Detroit: Become Human“ macht hier keine Ausnahme.
Um das vielschichtige Plot-Konstrukt möglichst intensiv auszukosten, planen Genre-Fans daher am besten gleich zwei oder drei Spieldurchgänge ein – von denen jeder ca. 10 bis 12 Stunden in Anspruch nimmt. Praktisch in diesem Zusammenhang ist das sogenannte Ablaufdiagramm. Denn mit seiner Hilfe könnt ihr jederzeit sehen, wo im Spiel ihr welche Entscheidung getroffen habt, welche Konsequenzen daraus resultierten und wie viele weitere Handlungsoptionen noch zur Verfügung stehen. Prima: Wer mag, kann über den Kapitel-Manager zudem unterschiedliche Schlüsselmomente anwählen und direkt von dort weiterspielen, um neue Story-Verästelungen im Schnellverfahren auszuprobieren.
Hingucker am laufenden Band
Ein weiterer Grund, warum „Detroit: Become Human“ überraschend schnell eine erstaunliche Sogwirkung entfaltet, ist die wirklich überzeugende Präsentation. Wir wollen nicht zu viel vorweggreifen, aber wenn Markus das futuristische Atelier seines Meisters Carl betritt, Connor und Hank im anrüchigen Eden Club unter Zeitdruck den Hergang eines Mordfalls enträtseln, Kara bei Anbruch der Dunkelheit einen verlassenen Freizeit-Park durchstreift oder dem Chef des Detroit Police Department mal wieder der Kragen platzt, läuft der Titel zu Hochform auf und zeigt, dass sich die insgesamt 324 Tage Performance-Capture mehr als gelohnt haben. Hervorheben möchten wir an dieser Stelle zudem die grandiose Musikuntermalung (für jeden der drei Protagonisten verpflichtete Quantic Dream einen eigenen Komponisten) sowie die deutschen Synchronsprecher. Letztere liefern durch die Bank weg sehr professionelle Arbeit ab, können auf Wunsch aber auch einfach im Menü durch die Originalstimmen ersetzt werden.
Daumen hoch zudem für die nette Extras-Rubrik. Hier investiert ihr die nach jedem Kapitel freigespielten Bonuspunkte in eine Vielzahl amüsanter Bonus-Inhalte. Den Anfang machen ein knappes Dutzend Artwork-Pakete sowie diverse Videos, darunter spannende Render-Kurzfilme, die die Vorgeschichte einzelner Charaktere genauer beleuchten. Aber auch die Soundtrack Rubrik mit ihren aufschlussreichen Beschreibungstexten sowie die Möglichkeit alle 111 3D-Figuren-Modelle noch einmal aus nächster Nähe betrachten zu können, wissen zu gefallen. Nicht zu vergessen die interaktiven Umfragen. Hier stellt euch „Detroit: Become Human“ spielbezogene Fragen und vergleicht eure Antworten mit den Präferenzen der Online-Community.
Was wir schlecht finden
Zugegeben, „Detroit: Become Human“ wurde mit viel Herzblut entwickelt und läuft insgesamt sehr rund. Über die etwas altbackene, streckenweise ungenau abgefragte Steuerung kann das Spiel hingegen nicht hinwegtäuschen. Wir jedenfalls mussten drei bis vier Mal frustriert den Kopf schütteln, als Tasteneingaben in Quicktime-Reaktionstest trotz optimalem Timing nicht präzise erkannt wurden. Deutsche Untertitel für die Videos aus der Extras-Rubrik wären ebenfalls wünschenswert gewesen. Zu diesen, wenngleich nicht allzu dramatischen Kritikpunkten gesellen sich vereinzelte Logiklücken sowie die Tatsache, dass einige Abschnitte inhaltlich betrachtet etwas zu abrupt enden.
Kommentare
Konrad Zuse
24. Mai 2018 um 14:22 UhrEs liegt gerade im Laufwerk und installiert.
Don-Corleone
24. Mai 2018 um 14:26 UhrEs liegt gerade nicht im Laufwerk und installiert nicht
Frauenarzt
24. Mai 2018 um 14:26 UhrDas ist sehr schön:
„Wer mag, kann über den Kapitel-Manager zudem unterschiedliche Schlüsselmomente anwählen und direkt von dort weiterspielen, um neue Story-Verästelungen im Schnellverfahren auszuprobieren.“
32 Kapitel sinds.
Ich bin gespannt.
xjohndoex86
24. Mai 2018 um 15:13 UhrNa, das hört sich doch gut an. Und lieber ’ne Steuerung mit eigenem Charakter als das Gefühl immer das Gleiche zu spielen. Die Delays bei den QTE kriegen sie hoffentlich noch hin.
Neutrino
24. Mai 2018 um 15:26 UhrHeavy Rain war super.
Beyond Two souls war Mist.
Ich hoffe, DbH wird wieder super.
LDK-Boy
24. Mai 2018 um 15:46 UhrDie demo allein
war schon top….Scheint auch Top zu sein das Spiel..genau so Top wie Sony.Alles top.Top Konsole.
Shaft
24. Mai 2018 um 15:51 Uhr„Reizvolles Zukunftsszenario, in welchem Androiden Gefühle entwickeln“
falsch!
richtig muß es heißen:
„alberner quatsch, in welchem Androiden Gefühle entwickeln“
androiden können keine gefühle entwickeln. sie besitzen einen prozessor und ein programm und selbst wenn es in diesem programm zu fehlercodes kommt, werden daraus noch lange keine gefühle. gefühle entstehen durch das vegetative nervensystem und durch botenstoffe, die in den körper ausgeschüttet werden. sowas haben androiden nicht. das spiel ist quatsch. genauso kann man ein spiel spielen, in dem rosa elefanten auf marshmallows balancieren und sich anschließend in laserstrahlenschießende gitarrensaiten verwandeln.
Frauenarzt
24. Mai 2018 um 15:52 UhrShaft schon wieder.^^
Das ist ein game. Eine fiktive Welt. Da gibts keine Regeln.
Konrad Zuse
24. Mai 2018 um 15:56 Uhr@Schaft
Dann kann man es mit dem Filme gucken und zocken auch sein lassen. ^^
VincentV
24. Mai 2018 um 16:00 UhrWeil man ja nicht schon künstliche Intelligenzen so beeinflussen kann wie man will weil diese selbständig lernen kann..ach nein Moment das gibt es ja schon.
Momentaufnahme
24. Mai 2018 um 16:01 Uhr@ das spiel ist quatsch weil unrealistisch? alta was läuft bei dir denn falsch? =D
Euer_Liebling
24. Mai 2018 um 16:15 Uhr@Shaft
Schonmal was von einem Märchen gehört?^^
DerInDerInderin
24. Mai 2018 um 17:13 UhrShaft ist Quatsch
Obi-Wan Nikobi
24. Mai 2018 um 19:14 UhrShaft hat Recht!!! Somit brauchen wir so gut wie nix mehr zocken weil alles Quatsch ist, hahahaha
ps3hero
25. Mai 2018 um 09:50 UhrViele Leuten glauben leider den Käse mit den echten Gefühlen. Es sind wandelnde Toaster, mehr nicht.
Magatama
25. Mai 2018 um 11:28 UhrGebt ihr eigentlich irgendwann auch nem Spiel ne andere Wertung als 85?
HolyOsum
25. Mai 2018 um 14:01 UhrShaft sollte dringend mal Nier:Automata spielen…
Moonwalker1980
29. Mai 2018 um 10:30 UhrSchaft und Ps3 Hero sollten mal dringend von ihren hohen Rössern steigen…
Linez
31. Mai 2018 um 01:07 UhrDas was Shaft schreibt trifft auf die gegenwart zu. Wie es dann in der zukunft aussieht weiss niemand. Allerdings ist DBH auch nicht das erste exemplar dass sich mit der frage beschäftigt. Vielleicht ist „gefühle entwickeln“ auch einfach der falsche ausdruck
für eine KI. Wer weiß das schon.
Buzz1991
23. Juni 2018 um 11:16 UhrSpiel des Jahres 2018. Wegweisend für das Genre.