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Ghost of Tsushima im Test: Ein Fest für Samurai-Fans

Seit vergangenem Freitag ist mit "Ghost of Tsushima" der wohl letzte große Exklusivtitel der PS4-Ära erhältlich. Doch wie gut ist das Samurai-Abenteuer letztendlich geworden?

play3 Review: Ghost of Tsushima im Test: Ein Fest für Samurai-Fans

8.5

Mit ihrem letzten großen Titel, „inFAMOUS: Second Son“, läuteten Sucker Punch den Beginn der PlayStation 4-Zeit ein und lieferten mit ihrem Superhelden-Abenteuer einen der ersten Blockbuster der damals noch jungen Sony-Konsole. Passenderweise ist es nun das neueste Werk der Videospiel-Schmiede, das zu den letzten großen Titeln der ausklingenden PS4-Ära zählt.

Mit unserem „Ghost of Tsushima“-Test sind wir leider ziemlich spät dran, doch wir wollten uns die nötige Zeit nehmen, sämtliche Facetten des Spiels auf Herz und Nieren zu prüfen. Nachfolgend zeigen wir euch, wo die Stärken sowie auch Schwächen des Samurai-Open-World-Spiels liegen und ob Sucker Punch die Zeit der PS4 mit einem Hit beschließen können.

Was wir gut finden

Ein spielbarer Samurai-Blockbuster

„Ghost of Tsushima“ entführt uns ins Japan des Jahres 1274, in dem sich die Erste Mongolen-Invasion ereignete, eines der prägendsten Ereignisse in der Geschichte des Inselstaats. Die Mongolen wollen die Herrschaft über Japan erringen und eines ihrer ersten Ziele ist die kleine Insel Tsushima, die wir in der Rolle des Samurai-Kriegers Jin Sakai verteidigen. Nach einer verheerenden Niederlage muss unser Held jedoch einsehen, dass dieser Kampf mit Ehre allein nicht zu gewinnen sein wird. Er muss etwas anderes werden, um seine Heimat zurückzuerobern, ein „Geist“, dem jeder schmutzige Trick recht ist, um zu siegen. Der Zweck heiligt die Mittel und Ehre wird zusehends überflüssiger.

Im Laufe der Story bekommen wir ausführliche Einblicke in Jins Vergangenheit gewährt. Wir sehen, wie groß sein Wunsch war, ein ehrenhafter Samurai zu werden und seine Familie stolz zu machen. Doch als die Mongolen ihm alles nehmen und seine Heimat verwüsten, gerät er zusehends in einen moralischen Konflikt mit allem, was er je lernte. Plötzlich muss er aus dem Schatten heraus zuschlagen und Gift benutzen – Entwicklungen, die ihn innerlich zu zerreißen drohen.

Speziell Jins Geschichte erzählt „Ghost of Tsushima“ sehr cineastisch. Sucker Punch orientiert sich bei der starken Inszenierung offensichtlich an legendären Beiträgen des Samurai-Films wie „Die sieben Samurai“ „oder auch „Ran“. Die Bildsprache Akira Kurosawas zieht sich dabei durch das gesamte Spiel, angefangen bei den majestätischen Panoramen über die bildgewaltigen Massenschlachten bis hin zu den ruhigeren Momenten der Story. Samurai-Fans kommen hierbei definitiv auf ihre Kosten. Abgerundet wird dieses Vergnügen durch einen jederzeit stimmigen Soundtrack und vor allem dem optionalen Kurosawa-Modus, der dem Spiel einen dreckigen Schwarz-Weiß-Look inklusive veränderter Sounds verleiht.

Motivierende Nebenmissionen

Erweitert wird Jins schwelender Konflikt durch einige ausufernde, gut geschriebene Sidestory, den sogenannten „Geschichten Tsushismas“. In diesen begleiten wir insgesamt vier Verbündete unseres Protagonisten auf ihren ganz eigenen Wegen, wobei vor allem Fürstin Masako sowie der Bogenschützen-Meister Ishikawa herausragen. Sie haben mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen und brauchen Jins Hilfe, um sich nicht in ihrer eigenen Finsternis zu verlieren. Auf der anderen Seite können wir eben jene Abgründe auch in unserer Spielfigur erkennen, die zusehends von ihrem Weg abkommt. Eine spannende Mischung, die zum Weiterspielen motiviert und uns die Figuren ins Herz schließen lässt.

Doch auch etwas japanische Folklore hat es ins Spiel geschafft, denn ein reisender Musikant erzählt an verschiedenen Punkten der Spielwelt märchenhafte Geschichten über legendäre Gestalten der Geschichte Tsushimas. Mal berichtet er uns am Lagerfeuer von einem schrecklichen Fluch, mal von der Rüstung eines legendären Diebes. Diese Sagen werden uns im Stile klassischer japanischer Tuschezeichnungen präsentiert und halten ganz besondere Belohnungen bereit, etwa mächtige Angriffe oder neue Waffen. Wenn ihr dem Musiker über den Weg lauft, solltet ihr ihm also unbedingt zuhören.

Die Schönheit der Natur

Auf Jins Wandlung vom einstigen Vorzeige-Samurai hin zum ruchlosen Geist bereisen wir natürlich ausgiebig die Insel Tsushima, die in drei große Areale unterteilt ist. In jedem davon herrschen zu Beginn die Mongolen, weshalb es an uns ist, die Bevölkerung zu befreien und das Land zurückzuerobern. Der Kampf gegen die Invasoren rückt jedoch gerne mal in den Hintergrund angesichts der umwerfend aussehenden Spielwelt. Tsushima wurde mit viel Liebe fürs Detail erschaffen und sorgt für zahllose malerische Momente, die mit dem sehr umfangreichen Foto-Modus verewigt werden können.

Dabei ist die Begeisterung der Entwickler für die japanische Kultur während unseren Reisen jederzeit spürbar, denn anders als in vielen aktuellen Open-World-Spielen ist es in „Ghost of Tsushima“ die Natur selbst, die uns durch die Welt leitet. Wenn der Wind uns den Weg zum nächsten Ziel weist, uns Vögel oder Füchse an interessante Orte führen, ergibt sich ein wunderbarer Flow, der uns noch stärker in die teils fast schon mystische Welt hineinzieht, in der es allerhand zu entdecken gibt und Menschen nicht nur Angst vor den Mongolen, sondern ebenso vor bösen Geistern und Dämonen haben.

Anders als in vielen anderen aktuellen Videospiel-Blockbustern sind es allerdings oftmals vor allem die ruhigen, fast schon meditativen Momente, die inmitten von Jins blutigen Kriegsgeschichte hervorstechen. Sucker Punch hat auf der ganzen Insel Orte der Erholung versteckt: In heißen Quellen können wir rasten und über die bisherigen Erlebnisse sinnieren, andernorts Haikus (japanische Gedichte) erfassen oder unsere Fertigkeiten trainieren. Wer nach diesen teils gut versteckten Plätzen sucht, für die wir kleinere Kletterpassagen meistern müssen wird seine Spielerfahrung um einige besonders intime Momente bereichern können.

Der Weg des Samurai-Kriegers

Doch natürlich können wir die Mongolen nicht mit lieb gemeinten Worten vertreiben. Deshalb bleibt Jin oftmals nichts anderes übrig, als zu seinem Katana zu greifen, um die Gegner in intensiven wie blutigen Nahkämpfen zu erledigen. Jin kann dabei insgesamt vier Kampfhaltungen erlernen, wobei jede besonders effektiv gegen einen bestimmten Gegnertyp geeignet ist. Mit der Stein-Kampfhaltung machen wir etwa Schwertkämpfern das Leben schwer, während die Wasser-Kampfhaltung mit ihren schnellen und heftigen Attacken die Deckung von Schildträgern zerschmettert. Somit haben immer ein geeignetes Mittel in der Hand, um siegreich aus einem Gefecht hervorzugehen.

Dabei ist das Kampfsystem auf den ersten Blick recht simpel gehalten und dürfte auch Genre-Neulinge nicht überfordern. Mit leichten und schweren Attacken schlagen wir auf die Gegner ein, während wir deren Angriffe blocken oder ausweichen können. Hinzukommen unsere Geist-Waffen, etwa Kunais oder Rauchbomben sowie zwei Bögen mit verschiedenen Pfeilen und ein Blasrohr für Giftpfeile. Durch diese Sekundärwaffen kommt eine schöne Varianz ins Spiel, was geübten Spielern ausreichend Möglichkeiten für einen variantenreichen Kampfstil ermöglicht. Mittels Fähigkeitspunkte, die wir nach und nach für erledigte Aufgaben erhalten, können wir Jins breit gefächertes Repertoire noch verbessern. In ihren besten Momenten gleichen die Kämpfe beinahe schon einem blutigen Ballet, so leichtfüßig und anmutig zerschneiden wir mit Jin unsere Gegner auf dem Schlachtfeld.

Unsere Fähigkeiten dürfen wir übrigens genauso wie unsere Aufrüstung im Laufe des Spiels verbessern, was uns weitere Vorteile im Kampf oder auch bei der Erkundung der Spielwelt gibt. Mittels verschiedener Ressourcen, etwa Hölzer, Stahl und Leder, können wir bei verstreuten Handwerkern unsere verschiedenen Rüstungen und Waffen aufwerten. Besonders seltene Ressourcen winken dabei als Belohnung für den Besuch wichtiger Schreine oder den Abschluss bestimmter Missionen. Hinzukommen verschiedene Talismane, die uns als Perks etwa mehr Gesundheit geben oder mehr Schaden austeilen. Abgerundet wird dies durch eine breite Auswahl verschiedener Skins für unsere Rüstungen und Waffen. Diese haben jedoch keinen spielerischen Mehrwert.

In der Regel treten wir hierbei gegen mehrere Gegner gleichzeitig an, doch ab und an stellen sich uns auch besonders starke Krieger in den Weg, die Jin zum Duell fordern. In diesen sehr reduzierten Momenten können wir beweisen, wie gut wir die Mechaniken verinnerlicht haben, denn uns stehen hier keine Geist-Waffen zur Verfügung. Die Duelle sind schnell, blutig sowie intensiv und gehören auch wegen ihrer an Kurosawa angelehnten Inszenierung zu den Highlights des Spiels.

Was wir schlecht finden

Kein Meister-Ninja

So gut und rund sich die Kämpfe auch spielen, so rudimentär und limitiert wirken im Vergleich Jins Stealth-Möglichkeiten. Ähnlich wie in „Assassin’s Creed“ haben wir zwar die oft die Möglichkeit, unsere Gegner lautlos zu erledigen, allerdings ist dies nur bedingt spaßig. Dies liegt zum einen an der recht dummen Gegner-KI, die sich viel zu leicht abschütteln lässt und im Spielverlauf auch nicht dazulernt, und zum anderen an den ziemlich generischen Möglichkeiten, die wir beim Schleichen nutzen können.

Uns stehen Glöckchen und Böller zur Verfügung, mit denen wir Gegner ablenken können, Rauchbomben, die uns die Flucht ermöglichen, und zwei Arten von Giftpfeilen (Tod & Wut). Am Ende sind es somit zu wenige Möglichkeiten, die uns an die Hand gegeben werden, um die Gegner lautlos ähnlich spaßig zu erledigen wie in den schön intensiven Kämpfen. Besonders auffällig wird dies in einigen gezwungen wirkenden Schleich-Missionen, bei denen eine Entdeckung zum sofortigen Game Over führt.

Unfähiger Kameramann

Unser größter Feind bei der Rückeroberung Tsushimas waren oftmals jedoch nicht unbedingt die Mongolen oder andere kampflustige Gegner wie Banditen und Ronin (herrenlose Samurai), sondern die Kamera. Diese hat speziell im Kampf gegen mehrere Feinde ihre liebe Mühe, das Geschehen aus einer vernünftigen Perspektive einzufangen, weshalb es regelmäßig vorkam, dass sich Gegner außerhalb unseres Blickfelds befanden. Besonders schlimm wird es, wenn sich Jin in oder in der Nähe eines Gebäudes befindet, da die Kamera in solchen Fällen gerne mal an Wänden kleben bleibt.

Hinzukommt hierbei ein fehlendes optionales Lock-On, also richtiges anvisieren der Gegner. Jin greift den am nächsten stehenden Gegner an, in dessen Richtung wir den linken Stick drücken. Dies funktioniert die meiste Zeit zwar relativ zuverlässig, kann allerdings gerade zum Ende hin in Kämpfen gegen mehrere starke Gegner Nerven kosten, da Jin auch gerne mal Luftlöcher schlägt oder den falschen Kontrahenten attackiert.

Samurai-Déjà-vu

Obwohl die Spielwelt von „Ghost of Tsushima“ wunderschön gestaltet ist und so sehr sie uns mit ihren malerischen Panoramen auch in ihren Bann ziehen konnte, so wenig kann sie über einige offensichtliche Schwächen im Spieldesign hinwegtäuschen. Besonders deutlich wird dies gerade bei den Nebenmissionen, die viel zu oft nach demselben Schema ablaufen: Erkunde, verfolge, kämpfe – und von vorn. Dieses Schema hat sich zwar bewährt, ist jedoch altbekannt und wenig originell.

„Ghost of Tsushima“ besitzt zweifelsohne seinen ganz eigenen Charme, der in seinen stärksten Momenten eine ungeheure Sogwirkung entfaltet, dennoch fühlt sich die Spielwelt in ihren schwächsten Momenten sehr generisch an. In diesen ist Jins Abenteuer nur ein weiteres Open-World-Spiel unter vielen und verliert seine mystische Faszination, die es so einzigartig macht. Dies ist besonders schade, weil Thema und Setting des Spiels eigentlich zu einer wunderbaren Einheit verschmelzen, wäre es nicht im stetigen Konflikt mit sich selbst, außergewöhnlich und zugleich massentauglich sein zu wollen.

Technik, die nicht immer begeistert

Zum Abschluss noch ein paar Worte zur Technik von „Ghost of Tsushima“. Auf den ersten Blick begeistert die Spielwelt mit ihren kräftigen Farben, ihren kristallklaren Bächen und der teils enormen Weitsicht auf die weitläufigen Landschaften. Hinzukommen Jins geschmeidige Animationen während der Kämpfe sowie die detailliert gestalteten Locations und Charaktere in den Zwischensequenzen.

Während unseres Tests kam es jedoch immer wieder zu kleineren Rucklern und Slowdowns, die gerade zu Beginn etwas nervig sein können. Zudem wirkten einige Animationsübergänge, speziell beim Klettern, etwas unrund („inFAMOUS“ lässt grüßen). Im Vergleich zu einigen anderen PlayStation 4-Exklusivtiteln, etwa einem „God of War“, wirkt „Ghost of Tsushima“ technisch nicht ähnlich poliert.

8.5

Wertung und Fazit

PRO
  • Jin ist ein komplexer Charakter in einem spielbaren Samurai-Epos
  • sehr gute Nebengeschichten um Jins Verbündete
  • wunderschöne Spielwelt
  • facettenreiches Kampfsystem
  • motivierende Charakterverbesserungen
CONTRA
  • Stealth-Gameplay rudimentär und limitiert
  • oft unvorteilhafte Kamera
  • generische Nebenmissionen
  • technisch nicht ganz sauber

Ghost of Tsushima im Test: Ein Fest für Samurai-Fans

Kommentare

spider2000

spider2000

22. Juli 2020 um 18:55 Uhr
Lichkoenig

Lichkoenig

22. Juli 2020 um 19:17 Uhr
Bloodgod2001

Bloodgod2001

22. Juli 2020 um 19:26 Uhr
Mr. Monkey

Mr. Monkey

22. Juli 2020 um 20:42 Uhr
Nathan Drake

Nathan Drake

22. Juli 2020 um 22:38 Uhr
Nathan Drake

Nathan Drake

22. Juli 2020 um 22:42 Uhr
James T. Kirk

James T. Kirk

22. Juli 2020 um 23:46 Uhr
DarkSashMan92

DarkSashMan92

23. Juli 2020 um 00:49 Uhr
Nathan Drake

Nathan Drake

23. Juli 2020 um 12:13 Uhr
xjohndoex86

xjohndoex86

23. Juli 2020 um 12:57 Uhr
xjohndoex86

xjohndoex86

23. Juli 2020 um 13:26 Uhr