Als vor über zehn Jahren ein kleines japanischen Spiel namens „NieR“ erschien, hatte den Titel vermutlich kaum jemand wirklich auf der Rechnung. Doch es zeichnete sich recht schnell ab, dass Square Enix hier ein besonderes kleines Action-RPG auf den Markt gebracht hatte, welches bis heute einen Ruf als Geheimtipp der PlayStation 3- und Xbox 360-Ära genießt. In Form eines Remasters kehrt das Game nun als „NieR Replicant ver.1.22474487139“ zurück und will die Spieler erneut verzaubern. Ein Vorhaben, das, trotz einiger kleiner Schwächen, gelingt.
Eine ergreifende Geschichte, die in Erinnerung bleibt
In „NieR Replicant“ übernehmen wir die Kontrolle über einen jungen Hauptcharakter, der gemeinsam mit seiner Schwester Yonah ein auf den ersten Blick friedliches Leben in einem kleinen idyllischen Dorf führt. Das Mädchen leidet jedoch an einer rätselhaften Krankheit, die sie eines Tages töten wird. Das Ziel unseres Helden ist deshalb absolut klar: Ein Heilmittel finden und Yonahs Leben retten – um jeden Preis.
Wer damals die westliche Version von „NieR“ gespielt hat, dürfte bemerkt haben, dass wir nun nicht mehr den Vater des Mädchens spielen. Die internationale Fassung des Titels, die 2010 auch hierzulande veröffentlicht wurde, basiert auf der japanischen Xbox 360-Version „NieR Gestalt“. Das Remaster fußt hingegen auf der japanischen PS3-Fassung des Spiels, die nun erstmals auch bei uns im Westen im Handel erscheint.
An der auf den ersten Blick klischeemäßig anmutenden Ausgangslage der Geschichte und ihrem zunächst recht austauschbar wirkenden Fantasy-Setting ändert dies allerdings relativ wenig. Doch der erste Eindruck kann, wie es so schön heißt, täuschen, denn tatsächlich ist seine Story die wohl größte Stärke von „NieR Replicant“. Dies liegt nicht nur an einigen philosophischen Fragen, die im Verlaufe der Handlung aufgeworfen werden, sondern ganz besonders an den vielschichtig geschriebenen Charakteren.
Unser Held trifft auf seinen Reisen wertvolle Begleiter, die sein Leben und das seiner Schwester maßgeblich prägen sollen. Allen voran ein Junge namens Emil, die junge Kriegerin Kainé und das sprechende Buch Grimoire Weiss stechen hierbei heraus. Sie alle haben ihre eigenen Beweggründe und Persönlichkeiten, die von den Sprechern mit viel Leidenschaft zum Leben erweckt werden. Es ist auch nach all diesen Jahren noch immer eine Freude, diese Charaktere zu begleiten, sie kennenzulernen und ihnen bei ihren mal witzigen, mal herzzerreißenden Interaktionen zuzusehen. All dies wird von einem neu arrangierten Soundtrack untermalt, dessen Melodien euch so schnell nicht mehr aus dem Kopf gehen werden.
Noch mehr Gewicht und vor allem Tiefe erhalten diese Charaktere übrigens in den verschiedenen Enden von „NieR Replicant“, die ihr nach eurem ersten Abschluss der Story freischalten könnt, indem ihr auf demselben Speicherstand weiterspielt, was wir an dieser Stelle euch wärmstens empfehlen möchten. Auf diese Art erfahrt ihr nicht nur noch mehr über die Charaktere, sondern bekommt darüber hinaus so auch das wahre Ende des Spiels zu Gesicht. Eine emotionale Achterbahnfahrt, die es wert ist, dass ihr sie erlebt.
Schritt nach vorne: Endlich ein vernünftiges Kampfsystem
Dass sich diese wiederholten Durchläufe lohnen und weiterhin spaßig bleiben, liegt jedoch nicht nur an der Story und den Figuren. Darüber hinaus weiß nämlich ebenfalls das Gameplay des Action-RPGs zu überzeugen, das die zuständigen Entwickler von Toylogic gegenüber dem Original merklich überarbeitet haben. 2010 glänzte „NieR“ nämlich nicht unbedingt mit einem sonderlich tiefgründigen Kampfsystem, weshalb die Verantwortlichen hier vielleicht den größten Schritt nach vorne gemacht haben.
Das neue Kampfsystem geht merklich besser von der Hand als noch im Original und ist deutlich schneller. Obwohl ihr nur eine schwache und eine starke Attacke einsetzen könnt, ermöglichen euch die verschiedenen Waffentypen (Schwert, Speer, Zweihand-Waffen) in Kombination mit eurem Bewegungsrepertoire genug Optionen für die Scharmützel mit euren Feinden. Ihr könnt ausweichen, Gegnern in den Rücken fallen, ihre Angriffe blocken oder, das richtige Timing vorausgesetzt, auch Kontern, um besonders durchschlagskräftige Gegenangriffe zu landen.
Jeder Waffentyp kommt dabei nicht nur mit eigenen Angriffsmustern, sondern ebenfalls besonderen Stärken und Schwächen daher. Während Schwerter ideale Allrounder sind, habt ihr mit Speeren die größte Reichweite – perfekt für Gruppen kleiner Gegner. Zweihändige Waffen teilen dafür mit Abstand den meisten Schaden aus, allerdings verlangsamen sie euch auch extrem und machen euch somit anfällig für gegnerische Attacken. Überlegt euch also gut, welche Waffe zu eurem Spielstil passt und gegen welche Gegner sich welches „Werkzeug“ besonders eignet.
Generell wurden die Konfrontationen somit spürbar an jene aus dem Nachfolger „NieR: Automata“ angeglichen, auch wenn Platinum Games im direkten Vergleich ein noch komplexeres und feineres Kampfsystem entwickelte. Dennoch ist es verglichen mit dem Original-„NieR“ ein merklicher und äußerst willkommener Schritt nach vorne, der dank der großen Vielfalt an Waffen und Gegnern auch nach mehreren Stunden nicht langweilt. Zusätzliche Würze erhalten die Scharmützel durch Grimoire Weiss, mit dem ihr verschiedene Zauber einsetzen könnt.
Indem ihr einige besonders mächtige Gegner bezwingt, schaltet ihr im Verlauf der Story diverse magische Fähigkeiten frei, von denen ihr stets zwei aktiv einsetzen könnt. Mit Grimoire Weiss‘ Hilfe könnt ihr beispielsweise rote Kugeln verschießen, Speere aus dem Boden sprießen lassen oder einen Doppelgänger eures Helden beschwören, der jeden Gegnern in einem gewissen Radius attackiert. Wie bei den Waffen ist auch das Ausprobieren der Fähigkeiten sehr spaßig und fügt sich gut ins Kampfgeschehen ein.
Ein einzigartiges Erlebnis mit kleinen Fehlern
Neben dem Kampfsystem machte die Grafik den größten Sprung gegenüber dem Original. Die Levels wirken nun merklich detaillierter, die Farben kräftiger und die Welt dadurch auch noch etwas faszinierender. Insbesondere die Charaktermodelle der Hauptfiguren sehen wirklich schick aus und des Weiteren läuft das Spiel konstant mit 60 FPS, was gerade die Kämpfe herrlich geschmeidig wirken lässt. Negativ aufgefallen sind uns lediglich einige unbeholfene Animationen, vereinzelte Pop-ups und Clippingfehler, doch diese lassen sich durchaus verschmerzen. Insgesamt macht der Titel technisch einen sehr ordentlichen, wenn auch nicht herausragenden Eindruck.
So schön all diese Verbesserungen auch sind, merkt man „NieR Replicant“ in einigen Aspekten sein Alter dennoch an, besonders beim Game- und Questdesign. Da wäre beispielsweise das Schnellreisesystem, das ihr im Laufe der Story automatisch freischaltet und das euch fortan einige der teils ziemlich langen Fußmärsche erspart. Allerdings erhaltet ihr erst in der zweiten Hälfte des Titels Zugriff hierauf. Es wäre eine schöne und vor allem angenehme Anpassung gewesen, dem Spieler bereits etwas früher dieses System zu öffnen.
Darüber hinaus hätten ebenfalls einige der zahlreichen Sidequests und Gebiete kleinere Überarbeitungen vertragen können. Obwohl es einige wirklich spannende sowie teils überraschend emotionale Nebenmissionen gibt, verlaufen die meisten dennoch nach Schema F: „Geh nach X, erledige Aufgabe Y und kehre zurück nach Z“. Was diese Quests nervig machen kann, ist zudem die fehlende Option, eine als aktive Mission festzulegen. Darüber hinaus gibt es bei diesen Aufträgen auch keinerlei Wegpunkte, die euch zum nächsten Ziel führen. Hier hätten die Entwickler gerne nachjustieren und den Titel an aktuelle Genre-Standards anpassen dürfen.
Des Weiteren fällt auch das Design einiger Dungeons, die im Laufe der Story passiert werden müssen, ab. Das Leveldesign des Games war bereits im Jahre 2010 antiquiert, weshalb das Remaster in dieser Hinsicht ebenfalls nicht punkten kann. Nicht wenige Abschnitte sind recht einfallslos gestaltet und werfen unserem Helden oftmals lediglich mehrere kleine Gegner entgegen. Am Ende warten zwar ab und an fordernde wie spaßige Konfrontationen mit größeren Bossgegnern, dennoch wird auch hier das Alter des Titels offensichtlich.
Obwohl all diese kleinen Dinge in ihrer Gesamtheit ärgerlich sind und den Gesamteindruck schmälern, kann „NieR Replicant“ diese Defizite mit seiner überbordenden Kreativität wieder ausgleichen. Es fällt wirklich schwer, dieses Spiel jemandem zu beschreiben, der es nie selbst gespielt hat. Die Beschreibung „Action-RPG“ mag zwar treffend sein, allerdings spielen die Entwickler immer wieder gekonnt mit den Erwartungen der Spieler.
Während wir in einem Moment noch in typischer Hack and Slay-Manier Gegner zerlegen, untersuchen wir im nächsten Augenblick ein Mysterium im Text-Adventure-Stil oder müssen uns in einer isometrischen Ansicht durch einen Bullet-Hell-Level ballern. Die Experimentierfreudigkeit der Macher sprüht aus jeder Pore des Spiels und macht es auch nach all diesen Jahren zu einem absolut einzigartigen Erlebnis, das es Wert ist, selbst erfahren zu werden. Dank einiger brandneuer Inhalte – darunter frische Kostüme und Dungeons – gibt es sogar noch mehr zu entdecken als in der Original-Version von 2010.
Kommentare
Grinder1979
22. April 2021 um 15:57 Uhr8.5? ne 9 wär doch schon drin gewesen.
Banane
22. April 2021 um 15:59 Uhr8.5 ist der Klassiker.
Saleen
22. April 2021 um 17:29 UhrSpiel ist gut… Mehr auch nicht ^^
RikuValentine
22. April 2021 um 17:40 UhrSaleen hat Fieber. Wir müssen ihn sofort in die kalte Realität werfen 😀
Chains
22. April 2021 um 17:52 UhrMorgen kann ich es auch endlich spielen.
X-Station
22. April 2021 um 19:36 UhrDer Test liest sich eher wie eine 9.
Gerade wenn man die Pro und Contra Listen vergleicht.
Kleine technische Fehler und einige Facetten überaltert und direkt runter auf 85? 😀
TGameR
22. April 2021 um 19:45 UhrGeht mir auch so, X-Station. Hätte man ja auf eine 9 aufrunden können. Wonach das genau geht, keine Ahnung 😀
4Players hat 86 % gegeben, wär das dann hier bereits eine 9 oder erst bei einer gedachten 8,7 oder 8,8 ??? @play3
Wär interessant zu erfahren. 😉
AgentJamie
22. April 2021 um 20:47 UhrSallen sollte zum Arzt gehen XD
Top Bewertung für ein aufpoliertes Spiel mit neuen Inhalten. Ich freue mich morgen endlich zum 2. Mal in den Genuss zu kommen. <3
Samael
22. April 2021 um 22:20 Uhr8,5 geht klar. Ist weit nicht perfekt, aber die Story und viele kleine Spielereien machen es einfach fantastisch. Und bei Emils Theme bekomme ich immer noch feuchte Augen
Magatama
23. April 2021 um 12:21 UhrIch kann mich nicht erinnern, je eine andere Note als 8,5 bei play3-Spieletest gelesen zu haben. Und Nier ist klar besser als 8,5.
Edelstahl
25. April 2021 um 19:07 Uhr@ Magatama
Dann hast du nicht wirklich viele Tests angeklickt…was für ein Quatsch!
Wassillis
26. April 2021 um 16:25 UhrDie Ladezeiten sind gruselig.