Heute auf den Tag genau vor zehn Jahren erschien mit „Spec Ops: The Line“ ein Game, das lange Zeit unter dem Radar flog. Auf den ersten Blick war es nur ein weiterer Third-Person-Shooter, in dem der Spieler in der Rolle eines US-Soldaten in ein neues Gefecht zieht. Was den Titel tatsächlich auszeichnete und aus dem einstigen Geheimtipp letztendlich ein Kultspiel machen sollte, war jedoch seine Story, die auch nach einem Jahrzehnt eine unvergessliche Erfahrung ist.
Mehr als nur ein weiterer generischer Third-Person-Shooter
Wir übernehmen die Kontrolle über Captain Martin Walker, der gemeinsam mit zwei Delta Force-Kameraden nach Dubai entsandt wurde. Dort soll sich ein ganzes abtrünniges Bataillon der United States Army unter dem Kommando von Colonel John Konrad verschanzt haben. Während das Trio anfangs noch glaubt, die Lage unter Kontrolle bringen zu können, merken sie schnell, dass sich die Stadt in ein Kriegsgebiet verwandelt hat und nichts mehr so ist, wie es einmal war.
Zunächst müssen sich Walker und sein Team gegen Einheimische zur Wehr setzen, doch je weiter sie ins Zentrum der Metropole vordringen, desto mehr wird ihre bisherige Weltsicht auf den Kopf gestellt. Plötzlich eröffnen US-Soldaten das Feuer auf sie und sowohl für die Hauptcharaktere als auch den Spieler beginnt ein steter Fall hinab in die Dunkelheit, mitten hinein ins Herz der Finsternis. Willkommen in der Hölle, Walker.
In den ersten Spielstunden, ja, da wirkt „Spec Ops: The Line“ tatsächlich nur wie einer von vielen Militär-Shootern, die damals veröffentlicht wurden. Das Gameplay, das vor allem großen Nutzen von seiner Cover-Mechanik machte, war bereits aus anderen Titeln der damaligen Zeit bekannt, etwa einem „Gears of War“ oder auch einem „Uncharted“. Zudem wirkten die taktischen Möglichkeiten und die Kommandos, die Walker seinem Team geben konnte, etwa im Vergleich mit beispielsweise „Ghost Recon: Modern Warfighter 2“, arg rudimentär und limitiert.
All diese Komponenten dienten jedoch einem Zweck und waren genau so von Entwicklerstudio Yager Development beabsichtigt, denn das Team spielt immer wieder gekonnt mit der Wahrnehmung der Spieler, um sie so tiefer in die Geschichte hineinzuziehen. Die Erzählung des Spiels wird heute oftmals in einem Atemzug mit anderen großen Titeln wie „BioShock“, „Metal Gear Solid 3: Snake Eater“ oder einem „The Last of Us“ genannt. All diese Games werden insbesondere wegen ihrer Storys gelobt, die noch lange nach dem Abspann im Gedächtnis bleiben, doch bis dahin war es bekanntlich ein langer Weg für den deutschen Shooter.
Moralische Dilemmata: Es gibt nur schlimm oder schlimmer
Ein Grund, warum „Spec Ops: The Line“ diesen erfolgreich beschreiten konnte, waren die immer wieder in den Spielverlauf eingestreuten Entscheidungsmöglichkeiten. In manchen Szenen waren diese Optionen sehr offensichtlich, etwa wenn Walker dazu angehalten wird, einen von zwei Männern zu erschießen. Andere Szenen gehen subtiler damit um und in wieder weiteren realisiert der Spieler im ersten Augenblick womöglich nicht einmal, dass er hier eine Wahl treffen kann.
Der Titel arbeitet zudem regelmäßig geschickt mit moralischen Fragen, die den Spieler zum Nachdenken anregen sollen. Es ist auch in heutigen Spielen ein gerne genutzter Kniff, insbesondere in Verbindung mit unterschiedlichen Entscheidungsmöglichkeiten, die den weiteren Handlungsverlauf beeinflussen können. Diese Auswirkungen auf die übergeordnete Rahmenhandlung fallen im Third-Person-Shooter zwar oft eher überschaubar aus, dennoch bleiben viele dieser Momente im Gedächtnis, da oft nicht klar zwischen Schwarz und Weiß unterschieden wird. Stattdessen bleibt meist nur die Wahl zwischen schlimm oder schlimmer.
Dies verstärkt wiederum die Bindung des Spielers zu Walker, der zusehends von einer Abwärtsspirale erfasst und in die Tiefe hinabgezogen wird. Zunächst erscheinen die Veränderungen des Charakters lediglich äußerlicher Natur zu sein: Die anfangs noch saubere Uniform wird immer dreckiger und nimmt im Laufe der Reise deutlichen Schaden. Allerdings machen sich auch immer mehr die psychischen Veränderungen bei Walker bemerkbar: Sein Umgangston mit seinem Team wird rauer, seine Nahkampfangriffe brutaler und auch seine Wahrnehmung scheint ihm (und dem Spieler) immer wieder Streiche zu spielen.
Fühlst du dich wie ein Held, Walker?
So erzeugt Yager ein deutliches Gefühl des Unbehagens, das sich im Verlaufe von „Spec Ops: The Line“ stetig verstärkt. Darüber hinaus konfrontieren die Verantwortlichen, im Gegensatz zu vielen anderen Shootern, den Spieler regelmäßig mit den Auswirkungen seiner Taten. Den meisten Spielern dürfte sich dabei am ehesten sicherlich die weißer Phosphor-Sequenz ins Gedächtnis gebrannt haben. Walker und seine Kameraden nutzen die grausame Waffe, um vermeintlich feindliche Soldaten unter Beschuss zu nehmen – letztendlich löschen sie dadurch jedoch ebenfalls die Leben zahlreicher Flüchtlinge aus, die Schutz suchten.
In Momenten wie diesen ist das Spiel von anderen Militär-Shootern, etwa einem „Call of Duty“ oder „Battlefield“, am weitesten entfernt. Der Ego-Shooter-Hit aus dem Hause Activision Blizzard versuchte sich zwar mit dem Neustart der „Modern Warfare“-Reihe ebenfalls daran, ein realistischeres Bild des Krieges zu zeichnen, kratzt dabei allerdings maximal an der Oberfläche. „The Line“ wiederum zeigt auf verschiedenen Ebenen, dass der Krieg die Hölle ist.
Verdeutlicht wird dies anhand einer Charakterstudie eines Mannes, der zunächst noch an seine Mission glaubt, ehe er sich zusehends in seiner eigenen Finsternis verliert. Hinzukommen zahlreiche Anspielungen auf allen möglichen Levels des Spiels, seien es vermeintlich kleine Details in den Arealen, im Gameplay, dem Verlauf der Story bis hin zu den Ladebildschirmen und dem Startbildschirm. „Spec Ops: The Line“ ist durch und durch ein Anti-Kriegsspiel.
Spec Ops: The Line lebt von seinem Interpretationsspielraum
Dass all diese Facetten einen so bleibenden Eindruck hinterlassen, liegt vor allem daran, dass Yager Development dem Spieler nicht mit erhobenem Zeigefinger gegenübersteht und vorgibt, was moralisch richtig oder falsch ist. Stattdessen gibt es einen enormen Interpretationsfreiraum vieler Szenen, was im Laufe der letzten zehn Jahre unter anderem zahlreiche Fan-Theorien befeuerte. Eine geht beispielsweise davon aus, dass Walker bereits im Prolog des Games stirbt und alles, was wir im Anschluss mit ihm im Spiel erleben, lediglich eine Art Flashback ist. „Das ist eine absolut valide Interpretation“, verriet uns Timo Ullmann von Yager in einem Interview.
Doch das ist nur die Spitze des Eisberges, denn auf ähnliche Weise lassen sich gleichsam diverse weitere Szenen von „Spec Ops: The Line“ interpretieren. Findet sich Walker in den letzten Abschnitten des Spiels beispielsweise tatsächlich in der Hölle wieder? Sind alle Ereignisse womöglich Ausdruck seiner Schuldgefühle, die er zu Lebzeiten nie verarbeiten konnte? Weigert er sich eventuell, die Verantwortung für seine zu Lebzeiten begangenen Taten zu übernehmen und wird deshalb von seinen Fehlern gefoltert? Dieser große Interpretationsspielraum macht auch zehn Jahre später einen enormen Teil der Faszination des Spiels aus.
Egal ob 2012 oder 2022: Die Reise von Walker ins Herz der Finsternis bleibt eine ungemein packende Tour de Force in die Abgründe der menschlichen Natur und der geschundenen Psyche eines zutiefst gebrochenen Mannes. „Spec Ops: The Line“ konnte erst in der Zeit nach seiner Veröffentlichung wirklich strahlen, doch mit seiner tiefgründigen Geschichte und seinem komplexen Hauptcharakter ist es auch nach zehn Jahren noch eine unvergessliche Erfahrung.
Welche Erinnerungen verbindet ihr mit „Spec Ops: The Line“?
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Kommentare
Nanashi
26. Juni 2022 um 18:06 UhrWeiß noch, wie ich damals die Demo von dem Spiel rauf und runter gespielt hab und dann auch in meiner Klasse rumerzählt hab, wie cool das Spiel bestimmt wird…hat aber keinen interessiert, das neue Call of Duty war damals halt wichtiger. Schade also, dass es damals ein wenig untergegangen ist, dafür ist es ja heute umso mehr ein Geheimtipp. Über ein Remaster würde ich mich jedenfalls definitiv nicht beschweren.
keepitcool
26. Juni 2022 um 18:10 UhrSehr geiles Game, dauert auch nur um die 3-4h, habs damals ein paar Mal am PC durchgespielt. Würde mich über ein Remaster oder Remake freuen. Storytechnisch immer noch eines der besten Shooter und das bis heute…
Pitbull Monster
26. Juni 2022 um 19:00 Uhr@Nanashi
Ja zur X360/PS3 Zeiten ware nur die Spiele beliebt, die Call of duty oder FIFA im Namen hatten. Ein Grund warum ich diese Konsolen Generation eher verflucht habe. Gab so viele tolle Spiele damals aber die hatten nur die Wenigsten interessiert, wodurch die Entwickler/Publisher keine andere Möglichkeiten hatten als diese zu kopieren und ihre Spiele quasi so den Todesstoß zu geben *huste* Socom *huste*.
Heute sind die beiden Spiele zwar immer noch die beliebtesten Marken aber andere Spiele bekommen jetzt wenigstens auch Aufmerksamkeit.
keepitcool
26. Juni 2022 um 19:15 Uhr@Pitbull
„Ja zur X360/PS3 Zeiten ware nur die Spiele beliebt, die Call of duty oder FIFA im Namen hatten.“
Wie kommst denn zu dem Schluss?. Gerade die vorletzte Gen war mit die beste überhaupt, die 360 hatte viele tolle Titel und auch die PS3 hatte dann hinten raus noch mal richtige Meisterwerke…Da wurde weder mehr noch wenioger CoD und Fifa gespielt wie heute…
Pitbull Monster
26. Juni 2022 um 19:23 UhrIch komme darauf, weil damals COD und Fifa Monat für Monat immer in den VKZ Top Ten, eher Top drei, waren, bis der nächste Teil veröffentlicht wurde. Das hat sich Gott sei Dank mittlerweile geändert.
Ich hab ja geschrieben, dass es damals tolle Spiele gab aber die hatten nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient hätten.
keepitcool
26. Juni 2022 um 19:30 UhrWie gesagt, den Eindruck habe ich nicht. Heute sind auch die üblichen Verdächtigen vorne a la CoD, Fifa, GTA und C….ist auch nicht anders wie damals…An den Spiele und deren Aufmerksamnekit hat sich mMn ebenso nichts geändert…
Pitbull Monster
26. Juni 2022 um 20:02 UhrIch bin seit 2010 hier auf der Seite, angemeldet seit 2011. Ich weiß noch sehr gut, wie die Charts damals aussahen. Aktuell sehe ich kein COD in den Top Ten und Fifa ist gerade so noch drin, in den Top 20 der Download Charts ist keins von den beiden drin. GTA4 war damals nicht mal ansatzweise so beliebt wie der 5.Teil, der erst gegen Ende der Generation veröffentlicht wurde, von daher hatte ich es nicht erwähnt.
Mittlerweile gibt es ja auch andere sehr populäre Marken, wie Fortnite, Apex, R6 Siege, Minecraft PUBG etc. Damals konnte kein anderes Spiel auf den Konsolen COD das Wasser reichen, vielleicht Halo noch.
MartinDrake
26. Juni 2022 um 20:10 UhrIch mochte Spec Ops sehr, halte die Fahne hoch für dieses Erlebnis, Schade nur: kein Remaster, kein Remake, kein FPS Boost auf Series X, habs diese Woche (was für ein Zufall!) nochmals probiert, spielt sich mittlerweile schlimm, Leider!
ADay2Silence
26. Juni 2022 um 20:39 UhrSpielt sich wie der x-te Deckungsshooter jedoch ist die Geschichte die eigentliche Stärke des Spiels alleine die Entscheidung hatten mir damals echt nicht leicht gemacht und alleine die eine oder ein paar Szenen hatte mich der Schlag getroffen. Habe es immer noch auf meiner Ps3 Festplatte und würde mir eines Tages erneut ein Game im Stile wie Spec Ops The Line wünschen ….
Junjun
26. Juni 2022 um 22:03 Uhrunvergesslichen Erfahrung selbst 10 Jahre danach.?
ich habe es vor 10 Jahren gespielt ja es war gut
für mich ist last of us
unvergesslich!!
clunkymcgee
26. Juni 2022 um 22:29 UhrDas Spiel ist ein richtiger Troll ^^
Und das mein ich tatsächlich positiv. Ein wirklich unvergessliches Spiel, auch wenn das Gameplay nicht so der Burner ist.
Buzz1991
26. Juni 2022 um 22:41 UhrIch weiß noch, wie man auch die Ladebildschirme später dazu verwendet hat, dem Spieler Hoffnungslosigkeit zu vermitteln. Eine sehr unangenehme Erfahrung.
xjohndoex86
27. Juni 2022 um 00:49 UhrHatte mir schon im Trailer ungemein gut gefallen. Sollte nach Shellshock: ’nam 67 tatsächlich ein weiteres Anti-Kriegsspiel produziert werden? Das wäre ja was. Und man, war das was. Das größte Problem ist natürlich die Finte. Leute, die nur den Anfang spielen sehen natürlich nur einen weiteren Deckungsshooter. Gerade 2012 alles andere als dienlich. Aber was sich dann daraus entwickelt ist genauso abgrundtief wie sein Vorbild Apocalypse Now. Ganz stark! Schön, dass sowas auch mal aus einem dt. Studio kommt. Allerdings soll die Produktion wohl auch der Horror gewesen sein. Game Two hat dazu auch einen interessanten Beitrag gemacht. Schön zu sehen, dass dieser Geheimtipp nicht zur Ruhe kommt. 🙂
ZaYn_BolT
27. Juni 2022 um 07:18 UhrStarkes Interview und Spec Ops The Line hatte ich damals schon kurz nach dem Start erworben. Auf jeden Fall ein richtig guter Deckungsshooter aber das Herzstück des Spiels ist die Storyentwicklung.
Also da können sich CoD und Co. gerne ne Scheibe von abschneiden!
Jetzt bitte noch ein Remake zu diesem Kultspiel!
Murs1k
27. Juni 2022 um 09:43 UhrIch werde dieses Spiel auf jeden Fall nachholen. Leider ist mein Pile of Shame gewaltig.
Blackmill_x3
27. Juni 2022 um 10:20 UhrHabe das game zwar damals durchgezockt, aber habe eigentlich so gut wie alles davon vergessen.
Fand das gar nicht so besonders. Weiß nicht mal um was es in der Story ging.
Rakyr
27. Juni 2022 um 11:50 UhrIch hab das Game damals erst ein paar Monate nach Release gekauft. Ich kann mich erinnern dass ich es Anfangs eher langweilig gefunden, aber mangels Alternativen aber trotzdem gespielt hab. Als die Story an Fahrt gewonnen hat, hab ich es aber gleich durchgespielt, alles an einem Wochenende.