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Saints Row im Test: Rückkehr zu alter Stärke?

Mit „Saints Row IV“ und „Gat out of Hell“ schien Volitions Actionreihe ihren Zenit überschritten zu haben. Mit dem Reboot spendiert das US-Studio der Serie nun einen äußerst vielversprechenden Neustart.

play3 Review: Saints Row im Test: Rückkehr zu alter Stärke?

8.5

Das Gesetz der Serie kann für Entwickler leicht zum sprichwörtlichen Klotz am Bein werden. Denn vom nächsten Teil einer Reihe erwarten Spieler oft mehr vom Gleichen, nur schöner, größer und natürlich besser. Diesen Klotz hat Volition vorsorglich entfernt und liefert mit „Saints Row“ ein Serienreboot ab, das ganz neue Akzente setzen soll. Weshalb die Open-World-Action dennoch gerade den Erwartungen der Fans gerecht wird und gleichzeitig denkbar knapp den Spitzenplatz innerhalb der Reihe übernimmt, erfahrt ihr im Folgenden.

Der technisch sauberste Teil

Wer die Vorgänger von „Saints Row“ auf Konsole gespielt hat, besonders die Teile 3 und 4, hat womöglich eine Vermutung, weshalb wir mit der technischen Umsetzung beginnen. Nein, glücklicherweise liegt der Grund dafür eben nicht in einer teils grausige Performance oder bei gröberen Bugs, die das Spiel auch mal abschmieren lassen wie in früheren Serienteilen. Wir konnten „Saints Row“ praktisch ohne nennenswerte Probleme durchspielen.

Nur in einer der späteren Hauptmissionen stürzte das Spiel gleich mehrfach ab – ein Problem, das der seit dem 17. August verfügbare Day-One-Patch allerdings lösen konnte. Wie flüssig „Saints Row“ bei euch läuft, kommt jedoch auf die genutzte Plattform respektive den gewählten Grafikmodus auf der PS5 an. Dort gibt es jeweils zwei Varianten in 1080p und 1440p mit Präferenz auf Framerate oder Bildqualität sowie eine Option mit nativer 4K-Auflösung. Gerade bei letzterer kommt es zwar gelegentlich zu deutlich sichtbaren Framedrops, aber selbst damit ist „Saints Row“ durchweg gut spielbar und verkommt niemals zur Diashow.

Falls ihr noch keine PlayStation 5 besitzt und auf die PS4 angewiesen seid, müsst ihr euch ebenfalls keine Sorgen machen. Es gibt dort zwar nur einen festen Grafikmodus und ihr bekommt naturgemäß etwas schwächere Texturen und Effekte sowie stärker sichtbare Pop-ups. Zumindest auf der PS4 Pro – auf der Ur-PS4 konnten wir das Spiel leider nicht ausprobieren – tun diese Nachteile dem Spielspaß keinen Abbruch.

Außerdem müsst ihr auch auf der „alten“ PlayStation nicht auf ansehnliche Explosionen, detaillierte Umgebungen oder spektakulär umgerissene Zäune, Kakteen oder sonstige Umgebungsobjekte verzichten. Fairerweise gibt es für Käufer der PS4-Fassung eine kostenlose Upgrade-Funktion auf die PS5-Version – keine Selbstverständlichkeit, wenn man auf die Entwicklung der letzten Monate schaut.

Willkommen in Santo Ileso

Als Schauplatz von „Saints Row“ hält die fiktive Wüstenstadt Santo Ileso her, die neben Ähnlichkeiten zu Metropolen wie Los Angeles oder dem Zockerparadies Las Vegas nicht zuletzt auch mexikanische Einflüsse aufweist. Eurer namenlosen Spielfigur und deren drei WG-Mitbewohner Neenah, Kevin und Eli sind kleinkriminelle Machenschaften von Beginn an nicht fremd.

Zu viel mehr „kleinen“ Raubüberfällen lassen sich die vier jedoch nicht hinreißen. Tatsächlich heuert euer Alter Ego sogar bei einer Söldnerorganisation namens Marshall an, die auch mit schwerem militärischen Gerät ihre Interesse durchsetzen. Nach einem Zwischenfall, an dem auch die beiden anderen Fraktionen, die stets in Neonfarben gekleideten Idols und die mexikanische Gang Los Panteros, beteiligt sind, setzt man euch aber auf die Straße. Was also tun? Natürlich gründet ihr die Saints und wollt mit eurer Verbrecherorganisation die Kontrolle über die gesamte Stadt übernehmen.

Ihr merkt schon, erzählerisch bietet „Saints Row“ nicht unbedingt das Niveau von Arthaus-Kinofilmen. Ähnlich wie die Vorgänger lebt das Spiel dafür von seinen überzeichneten Charakteren, seinem bisweilen kruden Humor und natürlich von der oft bekloppten Over-the-Top-Action in den unzähligen Haupt- und Nebenmissionen. Minutenlang fahrt ihr dabei auch mal mit einem Panzer der Marshalls durch die Stadt und lasst Hunderte Autos und Helikopter in die Luft fliegen. Oder aber ihr verfolgt im Mad-Max-Stil einen Konvoi durch einen Wüstensturm und springt vom Dach eines Begleitfahrzeugs zum nächsten, um den Truckfahrer am Ende unsanft aus seinem Fahrerhaus zu bugsieren.

Mit (Kunst-)Freundin Neenah macht ihr euch auch mal daran, moderne Kunstobjekte in der Stadt zu stehlen. Die packt ihr allerdings nicht in den Kofferraum, sondern schleift sie mit einem Abschleppseil kurzerhand einfach über die Straße, wobei ihr unweigerlich Autos, Passanten und anderes mitreißt. Besagtes Abschleppseil kommt auch in anderen Situationen zum Einsatz.

Als ein Mitglied der Idols, der gerade Geschäftliches auf einem Dixieklo erledigt, eine Information nicht rausrücken will, klemmt ihr sein wohlduftendes Verließ an euer Heck und fahrt damit einmal quer durchs Zeltlager seiner Gang. In dieser Hinsicht dürft ihr also einige witzige Aktionen erwarten. Und in der Open World gibt es davon noch deutlich mehr!

Das Ballern selbst bietet allerdings im Kern eher Genre-Standard und von ein paar wenigen Ausnahmen wie der Piñata-Kanone der Idols abgesehen auch beim Arsenal keine allzu großen Besonderheiten. Da wird also zumeist einfach draufgehalten, bis alle Gegner tot sind. Schön sind aber immerhin die Nahkampf-Finisher, mit denen ihr bei dafür anfälligen Feinden einen Balken eurer Trefferpunktleiste wieder aufladen könnt, wodurch beinahe so etwas wie ein taktische Komponente Einzug ins Spiel hält.

Auch ein paar der Spezialfähigkeiten sind witzig, wobei ihr nach deren Aufladung etwa mit einer Flammenfaust zuschlagt oder einem Gegner eine Granate in die Hosentasche steckt und den Widersacher damit in eine Feindgruppe werft. Anders gesagt: Spaß machen die Kämpfe, erwartet in „Saints Row“ aber keine Revolution in dieser Hinsicht.

Arbeit und Freizeit kombiniert

Euer oberstes Ziel in „Saints Row“ besteht selbstredend darin, euer Verbrecherimperium auszubauen, um die Vorherrschaft in Santo Ileso zu erlangen. Das geschieht zwar auch im Rahmen der Storymissionen, primär jedoch durch den Aufbau sogenannter krimineller Vorhaben – wobei Entwickler Volition dies bedauerlicherweise zum Teil zur Pflicht erklärt, um ein paar der Storymissionen überhaupt angehen zu können.

Dabei nutzt ihr euer bislang verdientes Geld am Imperiumstisch, der so ähnlich wie der Wartable etwa in Rollenspielen funktioniert, um zum Beispiel eine Müllhalde für radioaktive Abfälle zu bauen, eine Werkstatt für geklaute Autos oder auch das Schloss Kraken, an das eine längere Missionsreihe mit so etwas wie Live Action Role Playing geknüpft ist.

Für letzteres gibt es auch spezielle Waffen, die zumindest innerhalb dieser Missionen niemand wirklich umbringen können. Die ansonsten oft witzigen, aber tödlichen Nahkampf-Finisher in regulären Kämpfen, werden hier durch Pantomimen ersetzt, bei denen euer Boss andeutet, jemand das Herz rauszureißen oder bei einem heimlichen Angriff so tut, als ob er die Leistengegend als Punchingball benutzt.

So außergewöhnlich wie die LARP-Missionen sind die meisten der Vorhaben allerdings nicht. Bei der Müllhalde gilt es schlicht, quer über die Map verteilte mit Giftfässern beladene Trucks zu kapern und zur Halde zu fahren. Baut ihr einen Unfall, beginnen die Fässer zu explodieren, weshalb ihr möglichst schnell zum Übergabeort fahren müsst.

In einem anderen Geschäftszweig macht ihr praktisch dasselbe mit Foodtrucks, in denen eine Straßengang Drogen verkauft. Der Unterschied: bevor ihr den mobilen Fressladen klauen könnt, müsst ihr eine übertrieben lange Abwehrschlacht überstehen. Die an die Vorhaben geknüpften Aufgaben sind also beim ersten oder vielleicht auch beim zweiten oder dritten Mal noch ganz witzig, verlieren aber schnell an Reiz.

„Saints Row“ gleicht dieses Manko allerdings recht clever im Rahmen des ohnehin sehr motivierenden Belohnungssystems aus. Jedes abgeschlossene Vorhaben, die ihr relativ frei in der Stadt auf verschiedenen Grundstücken errichten dürft, erhöht eure Imperiumsstufe. Dadurch erhöhen sich aber eben nicht nur eure stündlichen Einnahmen, auch eine alte Kirche, die als euer Hauptquartier dient, verändert sich dann sichtbar. Handelt es sich zu Beginn noch um eine ziemlich staubige Bruchbude, wird die Kirche später immer mehr zum Palast mit Marmorböden, verglasten Türmen und schicken Wandmalereien, die euren zunehmend dekadenten Lebensstil unterstreicht.

Fortschritt mit allem

In Santo Ileso könnt ihr euch natürlich noch mit etlichen anderen Dingen beschäftigen. Wer will, klaut sich einfach irgendwo ein Auto oder Motorrad und fährt das Teil in die Garage, um es dauerhaft dem eigenen Fuhrpark hinzuzufügen. Oder ihr widmet euch den Nebengeschäften, kleine Missionen, die meist Challenge-artig funktionieren. Eine davon heißt etwa Pony Express. Dabei gilt es eine Schmugglerware unter Zeitdruck an einem Zielpunkt abzuliefern, wobei dort das GPS gesperrt ist, ihr also selbst einen geeigneten Weg zum Zielmarker finden müsst.

Da die Cops überall Straßensperren errichtet haben, kommt es leicht zu einer Verfolgungsjagd, wobei ihr euch die Verfolger mit den in allen Landfahrzeugen nutzbaren Rammattacken entledigen könnt. In den Beifahrermissionen wiederum erlebt ihr die auch in der Kampagne immer wieder enthaltenen Verfolgungsjagden, bei denen ihr meist auf dem Dach liegend die Verfolger mit MG oder Panzerfaust entsorgt. Um noch ein drittes Beispiel zu nennen: Beim „Wingsuit-Saboteur“ springt ihr mit euren künstlichen Flügeln aus einem Heli ab, müsst auf Gebäudedächern landen und dort mit Sprengwurfsätzen Antennen des Gegners zerstören. Alles nichts total Außergewöhnliches, aber eben auch gänzlich optional.

Da gibt es natürlich noch viel mehr. In Müllcontainern findet ihr meist wertvolle Bonusobjekte. Ihr könnt an Sehenswürdigkeiten Audioguides nutzen oder besondere Objekte in der Gegend mit eurem Smartphone fotografieren, wobei manche davon dann auch als Dekoobjekt vor beziehungsweise in der Kirche platziert werden können. Gänzlich ausschlagen solltet ihr das Open-World-Angebot in keinem Fall. Denn neben neuen Klamotten, Fahrzeugen oder anderen Belohnungen sind auch übergeordnete Challenges an den Nebenkram geknüpft.

Ihr schaltet damit entsprechend ausrüstbare Perks frei, die beispielsweise mehr Geld oder Munition bringen, wenn ihr den fallengelassenen Kram besiegter Gegner aufsammelt. Spielentscheidend sind diese Perks allerdings nicht, zumindest nicht auf dem von uns primär gespielten mittleren Schwierigkeitsgrad.

Alles in Eigenbau

Schier unerschöpflich anmutende Optionen gibt es in „Saints Row“ bei den Individualisierungsoptionen. Uns fällt spontan kein anderes Spiel ein, in dem wir unseren Charakter so frei und umfangreich an unsere Vorstellungen anpassen können wie hier. Es ist wirklich unmöglich, die fast schon ausufernden Möglichkeiten auch nur grob anzureißen. Aber es geht wirklich alles. Es gibt nicht nur unzählige verschiedene Gesichtsformen, Nasen, Ohren oder auch Zahnmodelle, Frisuren oder Möglichkeiten, die Gesichts- und Körperbehaarung anzupassen.

Ihr könnt auch Prothesen anbringen, zig Körper- oder Gesichtsnarben aktivieren oder Tattoos an quasi jedem Körperteil hinzufügen. Alles kann auch frei miteinander kombiniert und bei Farbgebung und Ähnlichem getweakt werden. In einem Wort: Wahnsinn! Und von den ganzen freischaltbaren Klamotten, wer will, darf aber auch (beinahe) nackt herumlaufen, oder Accessoires wollen wir erst gar nicht anfangen.

Individualisieren dürft ihr aber nicht nur euren Boss (und später auch eure drei Kumpanen), sondern auch euren Fuhrpark mit anderen Kühlergrillen, Motorhauben und Co. sowie die Waffen. In eure Autos dürft ihr zudem verschiedene Extras wie etwa eine Nitro-Einspritzung oder bereits erwähntes Abschleppseil einbauen oder allgemein Leistung und Haltbarkeit erhöhen.

Und als wäre das noch nicht genug, gibt es für Autos und Waffen auch noch kleine Challenges, die bestimmte Vorteile bringen, also zum Beispiel ein erhöhter Munitionsvorrat für ein Sturmgewehr. Falls ihr so etwas nicht mögt, wobei ihr etwa die Waffenchallenges im Zweifel automatisch nebenher irgendwann freischaltet, müsst ihr euch damit aber nicht auseinandersetzen. Für alle anderen ist es ein gigantischer Spielplatz, auf dem man auf Wunsch allein locker mehrere Stunden Spaß haben kann.

8.5

Wertung und Fazit

PRO
  • Wuchtig-schnelle, effekreiche Action zu Fuß und im (oder auf!) dem Fahrzeug
  • Genialer Charaktereditor, der mit seinen Möglichkeiten neue Maßstäbe setzt
  • Extrem motivierendes Belohnungssystem, das selbst zu unliebsameren Aufgaben verführt
  • Riesige, vielfältige und stilistisch ansprechende Spielwelt
  • Sehr guter Soundtrack und gute (englische) Sprecher
  • Coole Explosionseffekte und ansehnlich zerstörbare Umgebung
  • Insgesamt gute Grafik mit fünf wählbaren Performance-Modi (PS5)
  • Auch PS4-Version sieht gut aus und ist sehr gut spielbar
  • Humorvoll inszenierte Handlung
CONTRA
  • Manche Open-World-Aufgaben recht generisch und teils verpflichtend für Storyfortschritt
  • Gegner spawnen häufig an ungünstigen Stellen, was zum Scheitern einer Mission führen kann
  • Steuerung bei Standard-Einstellungen mitunter leicht hakelig und übersensibel (Auto)

Saints Row im Test: Rückkehr zu alter Stärke?

Ähnlich wie schon die Vorgänger lebt das neue „Saints Row“ nicht zuletzt von seinen überzeichneten Charakteren, dem oft kruden Humor und seiner Over-the-Top-Action – auch wenn die insgesamt recht stark auf stumpfe Ballerorgien setzt.

Die vielleicht größten Vorzüge aber liegen woanders. Zum einen sind es die massiven Individualisierungsoptionen, die besonders bei der Charaktererstellung bei Umfang und Vielfalt neue Maßstäbe setzen. Zum anderen gelingt es Entwickler Volition allgemein exzellent, die Motivation hoch zu halten. Denn für praktisch alles gibt es fette Belohnungen, sodass wir selbst unliebsamere Open-World-Aktivitäten nicht scheuen.

Positiv hervorheben müssen wir auch die technische Umsetzung. Nicht, weil sie brillant sei, sondern weil Volition in diesem Bereich in der Vergangenheit wesentlich schlechtere Ergebnisse erzielt hat und diesmal ein absolut angemessenes Niveau erreicht. Sogar auf der PS4 ist das Spiel gut spielbar, was man nun nicht von sämtlichen Multi-Gen-Releases der letzten zwei Jahre behaupten kann.

Unterm Strich liefert Volition mit dem Reboot jedenfalls ein richtig gutes „Saints Row“, das knapp, aber verdient an die Serienspitze setzt.

Kommentare

callmesnake

callmesnake

22. August 2022 um 16:21 Uhr
Flex_deine_Ex

Flex_deine_Ex

22. August 2022 um 16:33 Uhr
Flex_deine_Ex

Flex_deine_Ex

22. August 2022 um 16:46 Uhr
Stefan-SRB

Stefan-SRB

22. August 2022 um 16:48 Uhr
Stefan-SRB

Stefan-SRB

22. August 2022 um 16:53 Uhr
ABWEHRBOLLWERK

ABWEHRBOLLWERK

22. August 2022 um 17:10 Uhr
BlackPlayerX

BlackPlayerX

22. August 2022 um 17:13 Uhr
SeniorRicketts

SeniorRicketts

22. August 2022 um 17:39 Uhr
Zockerfreak

Zockerfreak

22. August 2022 um 17:48 Uhr
ABWEHRBOLLWERK

ABWEHRBOLLWERK

22. August 2022 um 17:54 Uhr
Sephirothnova

Sephirothnova

22. August 2022 um 19:43 Uhr
DerGärtner

DerGärtner

22. August 2022 um 20:20 Uhr